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: Undankbare Welt!

■ Gästezimmer der deutschen Kleinfamilien sind kein Angebot an bosnische Flüchtlinge

Die Welt scheint undankbar. Wo vor wenigen Wochen noch Ausländerhaß das Thema Nummer eins war, machen Hunderte von Familien Schlagzeilen, die freie Zimmer für bosnische Kriegsflüchtlinge hergeben und das Kinderspielzeug teilen wollen. Und dann lehnen die Bosnier ab, wollen lieber unter sich bleiben...

„Wir sind nicht undankbar, wir sind sehr froh über die Gastfreundschaft der Deutschen, aber es geht nicht“, sagen Bosnier, die seit Jahren in Deutschland leben und ihren neu angekommenen Landsleuten zu helfen versuchen. Mit den bosnischen Flüchtlingen selbst haben wir nicht geredet — wir verstehen sie nicht. Das ist nicht nur ein sprachliches Problem — welche deutsche Gastfamilie, die ein Zimmer erübrigen würde, hat sich einen Dolmetscher geschnappt und versucht, mit einer der ankommenden Flüchtlingsfamilie zu sprechen? Falls das eine versucht hätte, sie hätte schnell gemerkt, daß auch ein Dolmetscher derzeit kaum eine Brücke des Verständnisses bauen kann. Und weil keine Verständigung möglich ist, erscheinen auch den Betreuern bosnischer Flüchtlinge die überfüllten Zimmer der Gemeinschaft, die das Elend und die Sprache teilt, eher angemessen als die Aufteilung auf deutsche Kleinfamilien. Die Sozialbehörden tun gut daran, die Gastfamilienadressen mit höflichem Dankesschreiben vorerst zu den Akten zu nehmen und nach anderen Unterbringungen zu suchen. Die Welle der Hilfsbereitschaft ignorierte die Lage derer, denen geholfen werden sollte.

So naiv sie war — diese Welle der demonstrativen Hilfsbereitschaft war innenpolitisch dennoch sehr wichtig. Die Bereitschaft in diesem Land, Verfolgte selbst aufzunehmen und nicht an den Sozialstaat abzuschieben, ist derzeit in Europa beispiellos. Vielleicht ist doch nicht alles schlichte „Ausländerfeindlichkeit“, was sich als Stimmung gegen Asylbewerber — ohne so klar nachvollziehbaren Fluchtgrund — entwickelt hat. Es sieht so aus, daß die bundesdeutsche Fernsehgemeinde doch stärker differenziert zwischen solchen, die im Geruch stehen, nur die bundesdeutschen Sozialkassen anzapfen zu wollen, und anderen, denen geholfen werden muß. Klaus Wolschner