Mangelnder politischer Wille

■ Der Generalstreik in Südafrika ist ähnlich wichtig wie es das weiße Referendum war

Mangelnder politischer Wille Der Generalstreik in Südafrika ist ähnlich wichtig wie es das weiße Referendum war

Ein einziges Wechselbad, dieses Südafrika. Seit dem 1990 begonnenen Reformprozeß wurden mit jeder Verhandlungsrunde die Durchbrüche herbeigeredet und -gesehnt, denen immer wieder Massaker und Kassandrarufe — das Chaos, der Bürgerkrieg — folgten. Nichts hat hier mehr Bestand als der unerträgliche Wechsel zwischen Fortschritt und Regression, zwischen Zuckerbrot und Peitsche, Katharsis und Katastrophe. Und immer wieder wog man sich im Irrglauben, irgendwie werde es die Vernunft auch am südlichen Zipfel Afrikas schon richten.

Auch wenn die UNO nie vor der Frage stand, massiv in Südafrika zu intervenieren, war Südafrika doch von Anfang an neben Israel der Topos, an dem entlang sich eine üppige Resolutionskultur entfaltete. Die UNO sah sich, zusammen mit den alten Supermächten, denn auch als Gewinnerin, als die weiße Minderheitenregierung nach Jahrzehnten des Massenprotestes Einlenken signalisierte. Wahrscheinlich war und ist die heute als Retterin für alles apostrophierte, heillos überforderte Organisation froh, nicht allzuviel am Kap tun zu müssen.

Es wird Zeit, daß die Selbststilisierung der Macher um de Klerk, die Dinge schon alleine richten zu können, endlich verblaßt. Besonders bei ihm, aber auch beim ANC zeigt sich mangelnder politischer Wille zum Kompromiß, und so steuern sie eher auf Konfrontation denn Kommunikation zu. So erscheint der Besuch des UNO-Unterhändlers Cyrus Vance im Lichte der Mission Mitterrands in Sarajevo: Es werden Schneisen geschlagen, auch psychologische Knoten könnten sich lösen. Wichtige gesellschaftliche Gruppen wie die Kirche und Industrie, die sich nach langem Rückzug wieder zu Wort gemeldet haben, bemühten sich denn auch in mehreren Gesprächen am runden Tisch um eine Reaktivierung des Dialogs, der von den Verhandlungs-Eliten oben abgebrochen worden war.

Die zwölf UNO-Beobachter jedenfalls, die den heute beginnenden Generalstreik begleiten, sind keine sinnlose Investition aus der Kasse einer überschuldeten UNO. Sie sind gemeinsames Auge der Außenwelt. Dem Generalstreik kommt zum jetzigen Zeitpunkt, nach dem Abbruch der Verhandlungen, eine ähnlich große politische und auch symbolische Bedeutung zu wie vor kurzem dem weißen Referendum. Er ist entsprechend Beweis der Stärke der schwarzen Bevölkerungsmehrheit und ihres (relativ) gemeinsamen Willens. Doch anders als beim weißen Referendum sind heute alle gesellschaftlichen Kräfte gefordert, goodwill zu zeigen: seien es Polizei und Militär auf der einen Seite, sei es das Verhalten des ANC gegenüber Streikbrechern oder politischen Opponenten, seien es die bestreikten Firmen. Dieser Streik war also nicht zu verhindern, er war notwendig. Andrea Seibel