Schadenersatz für Sonnenbrand

■ Australisches Gericht zahlt Witwe eines an Hautkrebs verstorbenen Maurers 110.000DM Entschädigung, weil er jahrelang ohne Sonnenschutz im Freien arbeiten mußte

Mit hohen Summen werden in Australien nicht nur die durch Asbeststaub oder passives Rauchen in ihrer Gesundheit Geschädigten abgefunden. Dieser Tage erhielten die Witwe und die drei Kinder eines im Alter von 33 Jahren an Hautkrebs verstorbenen Maurers umgerechnet 110.000DM Entschädigung dafür, daß ihn seine Firma jahrelang im Freien arbeiten ließ, ohne ihn gegen UV-Strahlung zu schützen.

Es sei, so das Tribunal für Betriebsunfälle in Melbourne, das erste Mal in der Welt, daß Hautkrebs als ein Unfall am Arbeitsplatz eingestuft wurde und ein Versicherungsunternehmen Schadenersatz leisten muß. Bei dem verstorbenen Glenn Powell, der seit seinem 16. Lebensjahr als Maurer gearbeitet hatte, war etwa 18 Monate vor dem Tode auf der Kopfhaut ein Melanom diagnostiziert worden. Wie seine Witwe vor dem Gericht aussagte, habe Powell bei der Arbeit in der Sonne nie einen Hut getragen. Die Versicherung seines Arbeitgebers wartete eine Entscheidung des Tribunals gar nicht erst ab, sondern war schnell zu einem außergerichtlichen Vergleich bereit und zahlte die vom Gericht vorgeschlagene Summe.

Ein Sprecher der Australischen Krebshilfe hat die Arbeitgeber aufgefordert, aus der Schadenersatzklage der Angehörigen Powells, die von der Gewerkschaft des Verstorbenen unterstützt wurde, die Konsequenzen zu ziehen. Unternehmerverbände bereiten sich auf eine Flut von Klagen von Hautkrebspatienten und deren Angehörigen vor. Sie appellieren an die Gewerkschaften, sie bei ihren Bemühungen zu unterstützen, gegen Arbeiter disziplinarisch vorzugehen, die sich weigern, sich vor ultravioletter Sonnenstrahlung durch passende Kleidung und die Verwendung von Hautcreme zu schützen. Der Krebshilfe zufolge dürfe es künftig aber nicht dazu kommen, daß für die Vorbeugung gegen Hautkrebs nur die Arbeitgeber verantwortlich gemacht werden. In den sechziger und siebziger Jahren habe man zwar weder vom Ozonloch bei Australien gewußt noch von den dadurch bewirkten schädlichen Auswirkungen ultravioletter Sonnenstrahlen auf die Haut. Für in den achtziger Jahren und danach erlittenen Hautkrebs sei jedoch jeder Erwachsene selbst verantwortlich. Auch Eltern sollten zur Rechenschaft gezogen werden. Wer viel Zeit im Freien verbringe, sei besonders gefährdet, wenn er bereits als Kind der Sonne häufig schutzlos ausgesetzt worden sei. Zwei Drittel der 17 Millionen Einwohner Australiens, so die Krebshilfe, hätten in ihrem Leben mindestens einmal an Hautkrebs gelitten. In keinem anderen Land der Welt sei Hautkrebs so weit verbreitet wie in Australien. Gerald Stewart

Aus dem Berliner „Tagesspiegel“ vom 28.Juli.