Kinder starben bei Evakuierung

■ Zwei Babys bei Rettungsaktion erschossen/ 40 Waisenkinder jetzt in Sicherheit

Magdeburg/Sarajevo (taz/dpa) — Die rund 40 Kinder aus dem Waisenhaus von Sarajevo, die in einer Rettungsaktion aus der von Serben belagerten bosnischen Hauptstadt über den Landweg nach Split gebracht und von dort aus nach Sachsen-Anhalt ausgeflogen werden sollten, scheinen jetzt wirklich in Sicherheit. Gestern nachmittag meldete Radio Sarajevo, ihr Bus sei in der kampffreien Zone in der bosnischen Stadt Kiseljak angekommen.

Zwei Kleinkinder starben jedoch an einer serbischen Straßensperre in Sarajevo durch Gewehrschüsse. Nach Angaben des Senders hatten die Retter die Fahrt entgegen der Absprache mit den Serben zwölf Stunden zu früh angetreten und waren deshalb beschossen worden. „Es war ein großer Organisationsfehler“, sagte ein Reporter des Senders. Die Kinder aus dem Waisenhaus sind zwischen zwei Monaten und drei Jahren alt.

Fälschlich hatte es es bereits in Meldungen vom Freitag auch in der taz geheißen, die Kinder seien sicher in Split angekommen.

Urheber der Falschmeldungen war Claude Ellner von der Hilfsorganisation „Deutsche Humanitäre Hilfe“ in Zagreb. Er hatte bereits am Freitag morgen in einem vom Mitteldeutschen Rundfunk ausgestrahlten Telefoninterview behauptet, die Kinder seien in Split und kämen noch am Freitag auf dem ehemaligen GUS-Flughafen in Zerbst bei Magdeburg an.

Am Samstag gab dann das Magdeburger Sozialministerium bekannt, daß Ellner offenbar das Blaue vom Himmel heruntergelogen hat. Die Kinder hatten bis Samstag nachmittag das Waisenhaus von Sarajevo nicht verlassen. Erst am Samstag abend gab es einen weiteren Versuch, die Kinder zu evakuieren. Die beiden Magdeburger Landtagsabgeordneten Karsten Knolle und Jürgen Angalbeck (beide CDU) hatten offensichtlich einen kurzzeitigen Waffenstillstand zwischen den Bürgerkriegsparteien ausgehandelt, um die Kinder in dieser Zeit aus Sarajevo herauszubringen. Diese angebliche Abmachung war offenbar ein tödliches Mißverständnis. Erst gestern, nach einer erneuten Absprache, ließen die Serben den Bus dann passieren.

Die UN-Flüchtlingskommissarin Sagato Odaka hatte die geplante Evakuierung schon im Juni als „unverantwortlich“ kritisiert. Auch die UNO-Truppen, so Frau Odaka, könnten die Sicherheit eines solchen Transports nicht garantieren. Lebensmittel- und Medikamentenhilfe sei für die Kinder viel wichtiger, die sich im Keller des Waisenhauses in relativer Sicherheit befunden hätten. Eberhard Löblich