Psychoterror am Arbeitsplatz nimmt zu

■ Rund 10.000 Berliner werden in ihrem Berufsalltag von Kollegen schikaniert/ DAG hat Beschwerde-Telefon eingerichtet

Berlin. Seit der Westberliner Theo H.* eine Ostberliner Freundin hat und zudem noch zu ihr gezogen ist, erlebt er auf seiner Arbeitsstelle einen regelrechten Psychoterror. Seine Kollegen reden kein Wort mehr mit ihm, sticheln laut hinter seinem Rücken über die neue Freundin und stehen sofort demonstrativ auf, wenn er sich in der Kantine zu ihnen an den Tisch setzen will. Schikanen wie diese gehören für rund 10.000 Berliner zum Berufsalltag, schätzt der Mitarbeiter der Deutschen Angestellten Gewerkschaft (DAG) Roland Tremper. Für Psychoterror im Büro, Betrieb, Klein- oder Großhandel gibt es ein neues Modewort: »Mobbing«, vom englischen Wort für Pöbel (mob) abgeleitet. Die Bandbreite des »Mobbing« ist weit. Sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz, verbale Beleidigungen, Ignoranz bis hin zu Erpressungen und Gewaltandrohungen. Opfer sind Frauen wie Männer, Ostler wie Westler, wobei die Frauen »weitaus häufiger als Fußabtreter benutzt werden als die Männer«, hat Tremper festgestellt.

Seit einer Woche gibt es bei der DAG ein »Mobbing-Telefon«, wo Betroffene ihr Herz ausschütten und Rat suchen können. Seither meldeten sich hier bereits rund 200 Anrufer, zwei Drittel davon Frauen, zu Wort. 90 Prozent waren Westberliner. »Die Palette der Schikanen geht querbeet«, so Tremper. Ein Mann habe zum Beispiel geschildert, daß sein Computer immer »dumme Sau« anzeige, wenn er vom Mittagessen zurückkomme. Eine Nichtraucherin habe berichtet, daß ihr Vorgesetzter seine Zigaretten immer an ihrem Arbeitstisch rauche. Als sie sich beschwert habe, sei sie versetzt worden. Ein Ostberliner Angestellter einer Reinigungsfirma habe beklagt, daß ihm sein Arbeitgeber mit befristeten Verträgen und Kündigungsdrohungen das Leben schwer mache. Acht Kolleginnen hätten sich darüber beschwert, permanent von ihren Vorgesetzten oder Kollegen sexuell belästigt zu werden, so Tremper weiter. Gemessen an der hohen Dunkelziffer sei dies eine sehr geringe Zahl, bedauerte der DAG-Mitarbeiter. Fast alle »Gemobbten« hätten von großen psychischen Problemen als Folge des Nervenkriegs berichtet. Die meisten stünden morgens schon mit Angst auf, trauten sich kaum zur Arbeit und litten unter Magengeschwüren und Herzproblemen. Schikanen am Arbeitsplatz hat es schon immer gegeben, in letzter Zeit wird jedoch eine drastische Zunahme verzeichnet. Tremper führt dies auf erhöhten Leistungsdruck und zunehmende Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt zurück. Die Schwächsten würden mit Ausgrenzungen, Beleidigungen, Herabgruppierungen und Kündigungsdrohungen solange fertiggemacht, bis sie von selbst das Handtuch werfen würden. Die DAG rät den Betroffenen, ihre Rechte voll auszuschöpfen und sich beim Arbeitgeber, Betriebs- und Personalrat zu beschweren. Nicht der Schikanierte, sondern der Störer des Betriebsfriedens habe die Konsequenzen zu tragen, betont Tremper. plu

* Name von der Redaktion geändert

Das DAG-Mobbing-Telefon 8296285 ist werktags zwischen 8.30 und 16 Uhr besetzt.