Mammutgesellschaft für den Tunnel

■ Bau des Tiergarten-Tunnels im zentralen Bereich wird privatrechtlich organisiert/ Baubeginn 1995/ Finanzierung zum Teil ungewiß/ Haase will notfalls Maut erheben

Berlin. Vier neue Tunnelanlagen werden in zehn Jahren durch den zentralen Bereich Berlins führen. Um diese Planungs- und Baumaßnahmen zu koordinieren und durchzuführen, beschloß der Senat auf seiner gestrigen Sitzung die Gründung einer »Projektgesellschaft für Verkehrsanlagen im zentralen Bereich«. Sie soll Anfang nächsten Jahres ihre Arbeit aufnehmen. An der privatrechtlich organisierten Firma sollen sich je zur Hälfte das Land Berlin und die Deutsche Reichsbahn beteiligen, die Federführung soll beim Senat liegen. Diese Aufteilung entspricht den Bauvolumen der jeweiligen Tunnelprojekte. Die Reichsbahn veranschlagt für die von ihr geplanten vier unterirdischen Fernbahngleise sowie den Ausbau des Lehrter Bahnhofs zu einer ICE-Station und des Potsdamer Bahnhofs zu einem Regionalbahnhof eine Summe von zwei Milliarden Mark. Insgesamt werden für die Eisenbahnanlagen im zentralen Bereich, das sogenannte Pilzmodell, zehn Milliarden Mark kalkuliert.

Ebenfalls zwei Milliarden Mark sollen die übrigen drei Tunnelprojekte kosten. 550 Millionen Mark werden für den S-Bahn-Tunnel der Strecke 21 zwischen Gleisdreieck und Perleberger Straße veranschlagt, die U- Bahn-Strecke Alexanderplatz-Unter den Linden-Reichstag wird voraussichtlich 750 Millionen Mark kosten, und der 3,25 Kilometer lange Straßentunnel zwischen Landwehrkanal und Heidestraße wird mit 600 Millionen Mark zu Buche schlagen. Diese Summe ist, nach den Worten des Senatsbaudirektors Hans Stimmann, ein enormes Volumen. Ob dieser Dimensionen könne ihm leicht schwindelig werden.

Deshalb wohl begrüßt es der Senat, wenn sich die Bundesregierung an der Gesellschaft beteiligen würde. Der Bund hat sich ein solches Engagement bislang offengehalten. Doch der Senat, so Verkehrssenator Herwig Haase gestern, »wird ihn mit reinziehen«. Vor allem wohl, weil ein wesentlicher Teil des Vorhabens noch nicht finanziell abgesichert ist. Die Bundesregierung weigert sich bislang, die Kosten für den Straßentunnel zu übernehmen, da sie, so die Bonner Argumentation, für die Finanzierung von Fernstraßen nicht zuständig ist.

Verkehrssenator Herwig Haase geht hingegen davon aus, daß »der Bund bezahlen muß«, denn immerhin würde der Tunnel für ihn gebaut. Er hofft, daß die 600 Millionen Mark im Rahmen des Hauptstadtvertrages von Bonn übernommen werden. Doch auch wenn von dort kein Geld fießen sollte, ist es Haases Ziel, den Tunnel fertigzustellen. Notfalls will er die Autofahrer zur Kasse bitten. Der Verkehrssenator könnte sich vorstellen, daß dieses Projekt »sich über eine Tunnelgebühr, eine Maut, tragen könnte«.

Etwa 100 Mitarbeiter werden in der Projektgesellschaft mindestens zehn Jahre mit den Tunnelvorhaben befaßt sein. 1995 soll Baubeginn sein, drei Jahre später sollen die Rohbauten soweit fertiggestellt sein, daß in diesem Bereich mit den Regierungs- und Parlamentsbauten begonnen werden kann.

Die Projektgesellschaft ist nach den Worten von Senatsbaudirektor Stimman eine wichtige Voraussetzung für die schnelle Realisierung des Umzugsbeschlusses des Bundestages. Die Inbetriebnahme der einzelnen Tunnelstrecken werde dann sukzessive um das Jahr 2000 herum erfolgen. dr