Waits was here!

■ Ein bremisch-historischer Platten-Fund im ADD-Bereich

Wissen Sie noch, was Sie am 26.4. 1977 gemacht haben, so um acht Uhr abends? Sagt ihnen „The Piano Has Been Drinking“ noch etwas? Krächzende Stimme, Klavier und ganz viel Melancholie? Vielleicht waren Sie damals in Bremen-Horn- Lehe, genauer gesagt in der Aula der Postschule. Dann haben Sie nämlich mit Sicherheit ein Konzert von Tom Waits angehört. Zusammen mit dem Tenor-Saxophonisten Frank Vicari, Dr. Fitzgerald Jenkin am Baß und Chip Withe am Schlagzeug reüssierte Tom W. in der damals sehr beliebten Konzert-Reihe „Sparkasse in Concert“. Beinahe unbeachtet ist bereits im letzten Jahr ein Mitschnitt dieses Klangjuwels auf CD erschienen.

Zunächst einmal ist dem Bremer Publikum ein großes Kompliment zu machen. Diszipliniert, fast schon artig, folgte es dem Vortrag des Quartetts und applaudierte nach jedem Stück wohlwollend. Aufnahmetechnisch ist hierbei besonders die bestechende CD-Klangqualität jedes einzelnen Klatschers hervorzuheben. Ein einziger, aber gerade deshalb um so gravierender Ausrutscher überschattete dabei leider Waits Pausenansage. Nach Pasties & A G-String, einer wunderbar schnodderigen Ballade zu Baß und Schlagzeug, halb gelallt und halb gesungen, kam es fast zum Eklat. Waits, der gerade noch in gewohnter Biertrinkermanier von „Im smelling like a brewery, looking like a train“ genuschelte hatte und dann, von den Anstrengungungen des Abends hörbar gezeichnet, um eine 15-minütige Zigarettenpause bat, mußte das Unfaßbare hinnehmen. Jemand, unzweifelhaft ein junger Mann, rief da doch laut und deutlich „Scheiße“. Ihm, dem kommenden Weltstar, dem Jarmush- Schauspieler in spe, dem künftigen Mega-Sänger in Mega-Hallen in Giga-Städten mußte das ausgerechnet in Bremen passieren. Eine Schande.

Es spricht für das künstlerische Selbstbewußtsein Waits, daß er sich zumindest äußerlich nach der Pause nichts anmerken ließ. Als hätte es keine verbalen Entgleisungen gegeben, harmonieren die vier Musiker weiter. Vicaris getragene Figuren, sparsam akzentuiert, aber immer präsent, kontrapunktieren Waits Slang-Nuschel-Sabber-Krächz- Gesang eindrucksvoll. Auch in Momenten, da Waits Stimmbänder verstummen, bilden die drei Instrumentalisten eine Einheit. Mit gefühlvollen Jazz-Phrasen, von subtilen Swing-Zitaten durchzogen, begeisterten sie sogar den jugendlichen Rüpel. Weitere obzöne Ausbrüche bleiben jedenfalls bis zum Ende der 15 Tracks aus.

Nach Keith Jarrets „Bremen- Lausanne“-Livealbum ist Tom Waits einer der ganz wenigen Stars, der der Hansestadt eine Platte gewidmet haben. Den beiden sei Dank, Entschuldigung für den Zwischenruf. Ol' J.F.