Kröning will heilige Kühe schlachten

■ Finanzsenator stellte Haushaltsentwurf und Sanierungsprogramm vor

Bitte Mann

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Finanzsenator Volker Kröning, links über ihm: Vorgänger Scherf

Bremen befindet sich finanzwirtschaflich in Not, und zwar auf höchstem Niveau. Dieser Einschätzung von Finanzsenator Volker Kröning folgend, hat der Senat am Dienstag einstimmig den Haushaltsplanentwurf für die Jahre 1992/93 verabschiedet. Knappe 20 Millionen Mark, die allerdings erst noch an anderer Stelle eingespart werden müssen, stehen jetzt den Ampelfraktionen als Spielmasse zur Verfügung, um noch ein paar kleine eigene Akzente setzen zu können, ehe dann die Bürgerschaft Ende August den Haushalt absegnet.

„Der letzte Etat, den wir aus eigener Kraft zu bewältigen versuchen“, so charakterisierte Kröning gestern auf einer Pressekonferenz die Lage. Um die vom Bundesverfassungsgericht anerkannte „extreme Haushaltsnotlage“ zu belegen, findet sich im Kurzportrait des Haushaltsentwurfs das Stichwort „Zinssteuerquote.“ Die pendelt sich in den nächsten beiden Jahren bei 26 Prozent ein. Klartext: Jede vierte Mark, die Bremen an Steuern einnimmt, kann gleich an die Banken weiterüberwiesen werden. Und trotz aller Sparbemühungen kann Bremen dies aus eigener Kraft nicht ändern. Die Höhe der Gesamtkredite steigt in den kommenden Jahren um weitere knapp zwei Milliarden auf dann fast 17 Milliarden.

Wie weit die Handlungsfreiheit inzwischen eingeschränkt ist, zeigt sich an den Investitionsausgaben. Die werden von 978,5 Millionen im Jahr 1991 auf 803 Millionen 1993 heruntergefahren. „Sehr bitter“, meinte Kröning, da Bremen auch aus konjunkturellen Gründen eigentlich mehr investieren müßte. Doch das würde die Zinssteuerquote weiter in die Höhe treiben. Finanziert werden die Investitionen zu 100 Prozent mit neuen Krediten, auch dies ein haushaltstechnisch höchst ungesunder Zustand.

Für die Abwicklung des Haushaltes sieht Kröning drei Risiken. Neben der Tarifauseinandersetzung des Jahres 1993 und denkbaren Sprüngen bei der Sozialhilfe ist dies vor allem die „Auflösung der Minderausgaben“. Denn bislang haben die einzelnen Ressorts für dieses Jahr erst zu zwei Dritteln und im kommenden Jahr zu 50 Prozent festgelegt, wie das Sparvolumen erbracht werden soll. „Alle Senatoren haben finanzwirtschaftliche Gesamtverantwortung“, meinte Kröning und forderte seine KollegInnen zu weiteren Anstrengungen bei der Aufgabenkritik auf.

Auch wenn die Sparanstrengungen fortgesetzt werden: Hoffnung hat Kröning auf das Sanierungsprogramm gelegt, das er nach den Sommerferien mit Bonn und den anderen Ländern verhandelt. Die 535 Millionen, mit denen der Finanzsenator als Ausgleich für erlittenes Finanzunrecht fest rechnet, würde die Zinssteuerquote nur um ein Prozent drücken. Also setzt Bremen auf eine Teilentschuldung von 8,5 Milliarden Mark in den nächsten fünf Jahren. „Dann bricht aber nicht das Paradies aus, sondern die Normalität“, meinte Kröning.

In die Verhandlungen will Kröning mit einem Programm gehen, in dem die Eigenanstrengungen noch einmal verstärkt werden. Hochbauamt, Rechenzentrum, Martinshof, Reinigung öffentlicher Gebäude stehen zur Privatisierung an. Stadtwerke, Gewoba und Bremer Lagerhausgesellschaft werden im ersten Angebot wahrscheinlich noch nicht auf der Privatisierungsliste stehen. Im Laufe der Verhandlungen könnten aber auch diese stadteigenen Gesellschaften zur Disposition stehen. Kröning: „Heilige Kühe gibt es nicht. Maßstab der öffentlichen Leistungen werden die gesetzlichen Ansprüche der Bürger sein. Und auch Gesetze kann man ändern.“ hbk