Winzer-Mission in Hamburg

■ Gestern wurde das Pfälzer Winzerfest auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz eröffnet / 250 Wein- und Sektsorten warten auf ihre Verkoster

Der Süden lehrt den Norden Lebensart. Nach den schwäbischen Missionaren — man erinnere sich an das Stuttgarter Weinfest vor dem Rathaus — hat nun wie 1991 eine Expedition aus der Pfalz Hamburg erreicht. Auch sie hat vor allem alkoholische Getränke im Gepäck, denn es handelt sich um Winzerinnen und Winzer aus dem Bundesland, in dem 70 Prozent des deutschen Weines wachsen.

Das rheinland-pfälzische Ministerium für Weinbau, Landwirtschaft und Forsten (die Reihenfolge seiner Aufgaben ist signifikant) schickt die selbstvermarktenden Winzerbetriebe aus seinem Hoheitsgebiet auf diese Tournee, damit sie sich auch woanders einen Namen machen können. Die Namen der Weinbau- Metropolen lauten Kues, Maximin, Gundelsblum, Bodenheim, Oppenheim, Alzey, Edenkoben — das klingt spritzig-herb nach Müller-

Thurgau, Silvaner und Riesling.

250 Wein- und Sektsorten sind bis Sonntag an den Buden auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz zu verkosten, Genußmittel, die kaum auf den dürftigen Getränkekarten Hamburger Kneipen und Restaurants zu finden sein dürften. Unterweisung tut also not. An den Probierständen vermitteln die pfälzischen Erzeuger höchstpersönlich Wissen um Anbau, Verarbeitung und Geschmack und begründen wortreich, warum gerade ihr Produkt das wohlschmeckendste sei.

Komme keiner auf die Idee, hier seien Dealer am Werk, die uns süchtig machen wollen. Der Wein, der an Mosel und Rhein gekeltert wird, ist so natürlich-unschuldig wie das Antlitz der properen Weinkönigin Bettina Fischer vom Anbaugebiet Mosel-Saar-Ruwer, die gestern abend zur Eröffnung des Winzerfestes '92 anreiste.

Was Biertrinker meist vernachlässigen, da sie auf zügige Alkoholzufuhr aus sind, ist Weinspezialisten ein Imperativ: der Imbiß zwischen den Flaschen, er vergrößert den Genuß. Von Fischbrötchen oder Roter Grütze sollte aber Abstand genommen werden. Weinverträgliche Speisen sind Rieslingschinken, Schmalzbrot, Camembert (gebacken) und anderer Käse, lehren die Pfälzer und halten sie an ihren Ständen bereit. Hat da jemand was von Saumagen gesagt? Ja, auch diese prominente Oggersheimer Ethno-Kost darf zu einem leichten Kabinettwein verputzt werden.

Der populärste, weil etwas sexistische Vers des zeitweise in Hamburg tätigen Dichters Johann Heinrich Voß — „Wer nicht liebt Weib, Wein und Gesang, der bleibt ein Narr sein Leben lang“ — benennt eine weitere bekömmliche Rebensaft-Beilage: die Musik. Bei ihr treffen sich Wein- und Biertrinker wieder. Die Rheinland-Pfälzer bieten wahlweise Dixieland (morgen) oder Klassik in der Sonntagsmatinée, jeweils zwischen 11 und 14 Uhr.

Danach beenden die Winzer ihre Mission, sie war erfolgreich, wenn eine nennenswerte Zahl Hamburger vom Bier abläßt und zum Wein konvertiert. Dann wurde Kultur in den Norden gebracht. Gabi Thaler