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»Entschuldigung, ich bin nur der andere. Der von hinten. Der andere kommt nämlich nicht«, erklärt uns jener schüchterne Herr im schwarzen Seidenhemd, welcher an diesem Abend schon eine kleine Weile in der »Bar jeder Vernunft« am Piano sitzt und angeblich nur der »Umblätterer« ist. Daß er kaum ein bißchen Klavier spielen kann, ist natürlich frisch geschwindelt, und auch wenn Peter Ludwig gelegentlich »nur« die eine Hälfte des erfolgreichen Duos »Tango Mortale« ist, so ist er doch auch mit seinem Soloprogramm »Der Umblätterer — Ein Melodram. Sprache, Gesang, Klavier« viel mehr als nur »der seitenschwenkende andere«.

Das stellt sich spätestens heraus, als der arme Umblätterer in seiner Not mit dem Veranstalter Herrn Heinzi telefoniert. »Wo die Leute doch nun schon einmal da sind«, läßt sich der unfreiwillige Alleinunterhalter schließlich via Telefon davon überzeugen, daß »das jetzt einfach gemacht werden muß«. Und so legt er los, peitscht als Auftakt sein Klavier an, als soll es einen neuen Olympiarekord im »Einer mit Steuermann« aufstellen, greift mutig — und wahrhaft virtuos — in die schwarzen und weißen Tasten und präsentiert fortan ein höchst eigenwilliges, höchst polyphones Klavierkonzert, das sowohl kompositionell als auch kleinkünstlerisch ungewohnte Maßstäbe setzt. Es sind nicht die lauten Gags eines Hans Libergs, sondern eher leise, aber feine Töne, die den Abend bestimmen. Mal melancholisch, mal experimentell wechselt der Pianist Ludwig die Stimmungen wie die Musikstile, die der Komponist Ludwig augenzwinkernd miteinander verwoben hat. Ein musische Anspielung, ein erzählerisches Kleinod. Ein Erlebnis für Freunde der schönen Kleinkunst. Klaudia Brunst

Peter Ludwig: »Der Umblätterer — Ein Melodram. Sprache, Gesang, Klavier« im August Di-Do (außer 18.-20.8.) um 21 Uhr in der Bar jeder Vernunft, Schaperstraße