16.000 URLAUBER HÄNGEN IN ANDALUSIEN FEST

Der Mega-Stau

Madrid (taz) — Haben Sie schon mal mehrere Tage bei vierzig Grad im Schatten im Stau gestanden? Nein? Dann kommen Sie schleunigst an die südlichste Spitze Europas, um sich dieses einmalige Ereignis nicht entgehen zu lassen. 16.000 Autos voller Kinder und Gepäck stehen in der andalusischen Provinz Cadiz seit drei Tagen Schlange, um auf eins der Fährboote Richtung Marokko geladen zu werden. Die Mehrzahl der gepeinigten Urlauber sind marokkanische Emigrantenfamilien, die den Sommer zu einer Reise in die Heimat nutzen wollten. Aus Deutschland, Belgien, Holland und Frankreich angefahren, nahm die Reise kurz vor der Meeresenge von Gibraltar ein plötzliches Ende: Ohnehin schon völlig überlastet, hatte der Streik eines der Fährunternehmen, die vom Hafen Algeciras aus nach Ceuta, Melilla und Tanger fahren, den Verkehr restlos kollabieren lassen. Bereits vor zwei Wochen war es zu Auseinandersetzungen zwischen empörten Urlaubern und der spanischen Polizei gekommen, und auch in diesen Tagen bekamen die Ordungshüter beim Versuch, die Anfahrenden schon im Vorfeld zu stoppen, Steinwürfe und Beschimpfungen ab. An verschiedenen Stellen blockierten die Nordafrikaner die Durchgangsstraßen, die Polizei ging mit Schlagstöcken und Rauchbomben gegen sie vor. Nicht nur das Bedürfnis, weiterzukommen, erregte die Marokkaner. Dort, wo sie stehenbleiben mußten, gab es zumeist weder Wasser noch Schatten noch Unterkunft noch Einkaufsmöglichkeiten. In den vergangenen zwei Tagen gingen das Rote Kreuz und mehrere am Weg liegende Gemeinden dazu über, Lebensmittel unter den Wartenden zu verteilen.

Während die Behörden behaupteten, die Marokkaner seien selbst schuld am Stau, da sie dieses Jahr alle gleichzeitig in Urlaub gefahren seien, bezeichnete die Kommunistische Gewerkschaft CCOO die Organisation der „Operation Überfahrt“ als Pfusch und forderte die Bereitstellung von mehr Fährschiffen. Mehr als eine halbe Million Urlauber haben seit Beginn der Reisewelle vor zwei Wochen in 120.000 Autos die Meeresenge überquert, 40.000 weitere Autos werden noch erwartet. Statt im Schatten ihres Hauses in Marokko einen Minztee zu schlürfen, verbringen derweil fast 50.000 Marokkaner einen Teil ihres Urlaubs am Rand einer andalusischen Straße, im Schatten einer Tankstelle und in Erwartung eines belegten Brötchens des Roten Kreuzes. Antje Bauer