Unselig weinselig

■ Nürnberger CSU ist trinkfreudig, aber sittenstreng

Nürnberg (taz) — „In der CSU gibt es die ausgeprägte Neigung, Arbeit und Alkohol zu verknüpfen.“ Eigentlich eine Binsenweisheit im Freistaat Bayern, angesichts manch lallender Minister oder schnapsnasiger Kommunalpolitiker. Für die Nürnberger CSU-Stadträtin Margret Montfort- Schopen hatte die öffentliche Verkündung dieser Wahrheit jedoch Folgen. Die CSU schloß sie aus der Fraktion und damit aus den weinseligen geselligen Runden aus und zieh sie der „Gemeinschaftsunfähigkeit“.

Eigentlich hatte die 49jährige Expertin für Seniorenfragen eine schlagkräftigere und effizientere CSU in ihrer Rolle als Opposition im Nürnberger Stadtrat im Sinn, als sie das Innenleben der CSU- Stadtratsfraktion transparent machte. Sie warf der Fraktionsführung nicht nur Inkompetenz vor, sondern daß bei Arbeitstreffen „schon zu Beginn die Weinflaschen geöffnet“ würden. So mancher Stadtrat würde solche Sitzungen als „Ersatz für die fehlende Familie oder gar als Ort, um den Berufsstreß abzubauen“, mißverstehen. Ein in Bayern, wo Bier offiziell als Nahrungsmittel zählt und nicht als Alkohol, schwerwiegender Vorwurf.

So ereilte die CSU-Dissidentin denn auch konsequent das Strafgericht der Fraktionsführung und der Partei. Nurmehr 10 ihrer 26 Kollegen begrüßten sie fortan mit Handschlag, man stellte ihr ein Ultimatum zum Widerruf und zur Entschuldigung. CSU-Bezirksvorsitzender und Innenstaatssekretär Günther Beckstein warf ihr einen „schweren Verstoß gegen den Anstand“ vor und Hans-Paul Seel, der stellvertretende Fraktionschef, (Montfort-Schopen: „Den können Sie total vergessen, der ist beliebt, weil er ab und zu Biermarken verteilt.“) kündigte gar eine Beleidigungsklage an. Seel scheute jedoch den Wahrheitsbeweis und zog seine Klage zurück.

Montfort-Schopen kündigte jedoch an, sie wolle „keinen Kniefall“ machen, und bestreikte die Fraktionsarbeit. Das Ultimatum ließ sie folgenlos verstreichen. Gestern wurde sie aus der Fraktion ausgeschlossen. Jetzt können die Weinflaschen in der Fraktion wieder ungestört entkorkt werden. Bernd Siegler