Opfer von Waffenhändlern?

■ Wende im Mordprozeß gegen Seemann / Angeklagter erläutert Motiv für falsches Geständnis / Familie bestätigt seine Aussagen

/ Angeklagter erläutert Motiv für falsches Geständnis / Familie bestätigt seine Aussagen

Überraschende Wende im Mordprozeß gegen den Seemann Christian St., nachdem der Angeklagte und seine Familie gestern ihr Schweigen der letzten Verhandlungstage gebrochen haben. Nun beschäftigt das Gericht die Frage: Ist der 78jährige „Opa Buhr“ aus Wilhelmsburg, den St. am 31. Januar 1992 ermordet haben soll, um aus Habgier 150 Mark zu stehlen, vielmehr Opfer einer Waffenschiebergang geworden? Der 26jährige hatte zunächst ein Geständnis abgelegt, es dann aber widerrufen.

Richter Jürgen Schenck, der eigentlich gestern das Urteil sprechen wollte, fiel beinahe die Kinnlade herunter, als der Matrose am gestrigen 3. Verhandlungstag das Motiv für sein falsches Geständnis nannte. „Die Geschichte von Opa und dem Geld ist frei erfunden.“ St. sei vielmehr in illegale Waffengeschäfte verwickelt gewesen und deshalb in dem Zeitraum vor dem Tod des Rentners von vier Männern verfolgt worden, die Geld und Waffen von ihm verlangt hätten. „Sie haben gedroht Rebecca und Daniel umzubringen.“ (Schwester und Neffe). Auch in der U-Haft habe er noch Angst gehabt.

Ohne die Möglichkeit für etwaige Absprachen gehabt zu haben, bestätigte gestern auch Mutter Margarete St., daß ihr Sohn in der Zeit „starke Angst“ gehabt habe: „Er hat sich allein nicht vor die Tür getraut.“ Ihr selbst hätten Männer mehrfach aufgelauert und auch bei „Opa Buhr“ seien sie in die Wohnung eindrungen: „Die haben überall nach Christian gesucht.“ Weil Christian St. seine Schwester schützen wollte, so die Mutter, habe er oft bei „Opa“ übernachtet. Die von Rebecca in die Welt gesetzte Storie einer Vergewaltigung durch den Rentner (taz berichtete) entpuppte sich als Notlüge. Und auch das Tatmotiv entschwindet nach Auffasung von Verteidigerin Martina Zerling vollends. Sie fand heraus, daß St. und der Renter vor dem Mord Einkäufe gemacht hatten, so daß die 150 Mark gar nicht mehr vorhanden waren. Zudem habe St. bei Schwarzarbeit genügend Geld verdient. pemü