: Mit dem Koffer von Wohnung zu Wohnung
■ Mitwohnzentralen werden nicht nur bei Reisenden immer beliebter, sondern auch für Wohnungssuchende zunehmend die letzte Hoffnung für ein Dach über dem Kopf/ Nicht immer ist das Wohnungs-Sharing unproblematisch/ Was tun, wenn der Mitmieter nicht mehr gehen will?
Wie die Pilze sind sie in den letzten drei, vier Jahren aus dem Boden gewachsen: Nach den Mitfahr-Zentralen entstanden in Berlin, aber auch anderswo die Mitwohnzentralen. Das Prinzip der gut zehn solcher Läden, die es im Ost-, meist aber im Westteil der Stadt gibt, ist einfach: Man betritt einen — oder mehrere — Läden, meldet seine Wünsche auf eine kurzfristige Wohn- oder Mitwohngelegenheit an, und die Zentrale sieht nach, ob sie etwas Passendes zu zeitgemäßen Preisen hat.
Seit die Wohnungsnot gestiegen ist, gibt sich in den Läden die Kundschaft die Klinke in die Hand. Von vier Wochen an bis zu einem Jahr und allbezirklich, versprechen die meisten Mitwohnzentralen, könne man auch kurzfristig unterkommen. Die Zentrale kassiert dafür eine — nicht ganz geringe — Gebühr, die sich von etwa hundert Mark an aufwärts bewegt, je nach der Miethöhe, teils auch der Dauer des Kurzfrist-Mietverhältnisses (siehe auch Stichwort: Wohnen).
Die Gebühr darf aber, warnt der Berliner Mieterverein, nur bei erfolgreicher Vermittlung verlangt werden. Kommt ein kurzfristiges Mitmietverhältnis nicht zustande, weil es sich etwa der potentielle Vermieter anders überlegt oder anderweitig vermietet hat, so kann die Gebühr zurückverlangt beziehungsweise gar nicht erst gezahlt werden. Das wissen die Zentralen in der Regel aber auch.
Ursprünglich entstand die Idee der Mitwohnzentralen daher, zum einen Touristen, die sich längere Zeit in einer Großstadt aufhalten, ein billigeres Quartier als ein Hotel zu bieten. Auf der anderen Seite wollten Mieter, die längere Zeit verreisten, Kosten sparen, in vielen Fällen aber auch jemanden haben, der während ihrer Abwesenheit auf die Wohnung aufpaßt, die Katzen gießt und die Pflanzen füttert.
Inzwischen jedoch hat sich diese vergleichsweise unbürokratische und rasche Art der Wohnungsvermittlung gewandelt: Heute besorgen sich Leute, die auf dem normalen Wohnungsmarkt nichts mehr finden, so eine Unterkunft. Manche Menschen ziehen gar auf diese Weise mit zwei Koffern von Heim zu Heim und wohnen immer wieder in anderen Möbeln, während der eigene Hausrat, soweit vorhanden, eingelagert werden mußte.
Probleme wirft diese Art des Wohnungs-Sharings mehr als genug auf. »Wir hatten mal einen Mann über eine Mitwohnzentrale vermittelt bekommen, der wollte dann nicht mehr ausziehen«, erinnert sich der Bibliothekar Andi Spielberg. »Erst wollte er zwei Monate bleiben, dann fand er während dieser Zeit nichts, und verlängerte um eine Woche, dann um noch eine Woche und so fort.« Der Mitbewohner, stellte sich während der Zeit ebenfalls heraus, war zuvor obdachlos gewesen und hatte in diesem Milieu zumindest Freunde gefunden, jedenfalls: Eines Morgens traf ihn Andis Mitbewohnerin in der Küche, mit zwei Pennern am Frühstückstisch Bier trinkend. Seit dieser Zeit überläßt Andi seine Wohnung nur noch Bekannten.
»Wenn ein Mitmieter nicht mehr ausziehen will, bekommt man ihn nur heraus, wenn man die Gerichte bemüht«, bestätigt Frank Macijewski vom Berliner Mieterverein. Einfach die Schlösser auszuwechseln und des nunmehr ungeliebten Gastes Gepäck auf die Treppe zu stellen sei illegal. Womöglich werde der Wohnungsnotfall vom Gericht postwendend wieder eingewiesen.
Noch unheimlicher kann es werden, wenn der Wohnungsmieter auf Weltreise ist und nicht weiß, was der Mitmieter so treibt. So hält sich in Berlin hartnäckig das Gerücht von der Frau, die aus Australien wiederkam und in ihrer Wohnung zwar nicht mehr den Mitmieter auffand, jedoch diverse blutige Messer und Handtücher in der Badewanne. So schlimme Sachen freilich sind die Ausnahme.
Ärger kann es jedoch geben, wenn Sachen in der Wohnung beschädigt sind oder fehlen, wenn die Telefonrechnung höher ist als erwartet und wenn der Vermieter von dem allen erfährt und Einspruch einlegt. »Ab einem halben Jahr Mitmietverhältnis oder bei ständig wechselnden Mitmietern wird es kritisch«, weiß Macijewski.
Aber auch der Mitmieter hat gelegentlich Grund, sich zu ärgern. So verlangen die Wohnungsbesitzer für den einen Raum gelegentlich deutlich mehr, als sie anteilig selber zahlen. Das gilt vor allem für den Ostteil der Stadt, wo ja darüber hinaus noch eine Mietpreisbindung auch für Untermietverhältnisse gilt. Zuviel gezahlte Miete ist dort sogar nachträglich wieder einklagbar. So etwas, berichtet Macijewski, wird jedoch meist dadurch umgangen, daß ein Aufschlag für die Möblierung verlangt wird. Das ist rechtens, aber nicht in jeder beliebigen Höhe.
Gut, sagt Andi Spielberg noch in aller Unschuld, sei ein Anruf bei der Mitwohnzentrale, wenn man Frauen kennenlernen möchte. Ein Gutteil der Angebote dort ist denn auch für Frauen reserviert. Das sieht der Mieterverein natürlich von der kritischen Seie. »Sexuelle Belästigung bei solchen Mitwohnverhältnissen ist ein großes Problem«, meint Macijewski, der rät, sich die Wohnung nur in Begleitung erstmalig anzusehen.
Gerade hier bieten die Mitwohnzentralen eine gewisse Sicherheit: Sie verlangen die Personalausweise und notieren Name und Adresse sowohl des Mitmieters als auch des Vermieters.
»Wir verlangen vom Mitmieter auch den Nachweis, daß er ein Konto führt und einen Wohnsitz in Deutschland hat, schon wegen der Provision«, so Alexander von der Mitwohnzentrale am Kurfürstendamm.
Den Vermietern empfehle man eine Haftpflichtversicherung. Und einen schriftlichen Vertrag schließe man auch ab. Andere Zentralen verlangen gar eine Einzugsermächtigung für das Mitmieter-Konto. Auch eine — rückzahlbare — Kaution von einer Monatsmiete muß der Untermieter meistens stellen. Und die Miete wird oft genug im voraus verlangt, wenn es nur um wenige Monate geht. Eine Garantie, daß Mieter und Vermieter keine Probleme miteinander haben, übernimmt die Mitwohnzentrale freilich nicht.
Aber immerhin können solche Wohnungssuchenden auch Glück haben und an Wohnungen geraten, die man sonst nie findet: So landete die Studentin Martina Meier in einer 180-Quadratmeter-Wohnung in der Leipziger Straße, für ein paar hundert Mark im Monat. Der Vermieter, für ein Jahr in Westdeutschland tätig, wollte vor allem, daß jemand auf die Wohnung aufpaßt. esch
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