Schulbänke müssen näher zusammenrücken

■ Zum Schuljahresbeginn kein Schichtunterricht, aber drangvolle Enge/ GEW bezeichnet Klemanns Schulpolitik in mobilen Klassenräumen als »Flickschusterei«/ Staatliche Europa-Schule nimmt am Montag ihren Betrieb auf/ Hortbetrieb geht weiter

Berlin. Den von vielen Eltern befürchteten Schichtunterricht wird es im neuen Schuljahr, das am Montag beginnt, in Berlin nicht geben. Auch Unterricht in Zelten und Zügen soll Berliner SchülerInnen trotz aller Raumknappheit weiterhin erspart bleiben. Diese beruhigenden Worte teilte zumindest Schulsenator Jürgen Klemann (CDU) rechtzeitig zum Schuljahresbeginn der Presse mit. Dennoch: »Etwas zusammenrücken müssen wir am Anfang schon.« Etwa 400 mobile Unterrichtsräume werden im kommenden Schuljahr zu gleichen Teilen in Ost- und West- Berlin eingesetzt.

Die schlechte Raumsituation rechtfertigte Klemann mit den besonders großen Schwankungen der Schülerzahlen in Berlin, auf die es zu reagieren gelte. In diesem Jahr müßten 7.000 SchülerInnen mehr als im Vorjahr untergebracht werden. Insgesamt lernen ab Montag 368.000 Mädchen und Jungen in der Hauptstadt. Als »Flickschusterei« bezeichnet Erhard Laube, Vorsitzender der GEW Berlin, den ständigen Einsatz von mobilen Klassenräumen. Die GEW fordert einen längerfristigen Schulentwicklungsplan für Berlin und die Bezirke, um ein »bildungspolitisches Chaos« zu verhindern. Nach Angaben der GEW müßte jede zweite Woche eine neue Schule in Berlin eröffnet werden. Statt dessen würden inoffiziell die Klassen vergrößert und von seiten des Schulsenators »Schönfärberei« betrieben.

Das größte Problem im Ostteil ist auch nach Klemanns Aussage immer noch die Bausubstanz der vorwiegend alten Schulen im Ostteil. Dächer, sanitäre Anlagen und Elektroinstallationen müßten dringend in einem Umfang von rund 130 Millionen Mark repariert werden. Von den Bezirken würden für das kommende Jahr 70 Millionen DM bereitgestellt. Weitere Mittel erhofft sich Klemann im Herbst von der Senatsverwaltung für Wirtschaft. Mit der Verbeamtung der etwa 14.500 Lehrer im Osten Berlins werde noch in diesem Jahr begonnen, sagte Klemann. Während der dreijährigen Probezeit gebe es umfangreiche Weiterbildungsprogramme. Die Überprüfung auf eine Stasi-Vergangenheit soll in einem Jahr abgeschlossen werden. Ferner sicherte Klemann zu, die ganztägige Betreuung von rund 40.000 Schülern in etwa 260 Horten im Ostteil weiterzuführen.

Auch neue Schulen werden zum Schuljahresbeginn in Berlin eröffnet. An sechs Grundschulen startet die »Staatliche Europa-Schule Berlin« am Montag mit zwölf Vorklassen. Dort sollen ausländische und deutsche Kinder zweisprachig unterrichtet werden — außer Deutsch wahlweise die Fächer Englisch, Französisch oder Russisch. Von der Fraktion Bündnis 90/ Grüne war die Europa-Schule in der Vergangenheit als »Elite-Schule« kritisiert worden. Ebenfalls auf Kritik gestoßen war die Einrichtung des Modellversuchs, in dem an der Hildegard-Wegscheider- Oberschule in Wilmersdorf besonders begabten Schülern das Erlangen ihres Abiturs bereits nach zwölf Jahren ermöglichen soll. Im September soll es dazu eine Anhörung mit Experten geben. Eine flächendeckende Einführung des zwölfjährigen Abiturs solle es aber nicht geben, so Klemann. jgo