»Jochens« Beste

■ Filme des Hamburger No-budget-Festivals im Freiluftkino Hasenheide

Wer ist eigentlich dieser Jochen von der »Gesellschaft zur Förderung der intelligenten Unterhaltung«? — »Der Jochen ist keine Person, sondern ein Filmfanzine von vier Berlinern, die alljährlich zum No-budget-Filmfest nach Hamburg fahren und dort völlig übernächtigt ein verwirrtes Fanzine schreiben« erklärt Angelika, die selbst zu dem Jochen gehört.

Dieses Jahr hat »der Jochen« uns seine 13 Lieblingsfilme mitgebracht. Die Mehrzahl des Publikums wird wohl wegen »Those were the Days« des finnischen Kult-Regisseurs Aki Kaurismäki in die Hasenheide strömen. Aber noch drei weitere finnische Filme zeigen, daß der Erfolg der Brüder Kaurismäki der finnischen Filmproduktion neue Impulse gegeben hat. Auf besondere Art witzig ist »Ei Itketä Yhtään« (in den englischen Untertiteln heißt er »No time to cry«) von Heikki Tapio Partanen. Fünf Frauen und zwei Männer demonstrieren abwechselnd vor der ruhigen Kamera ihre ganz persönlichen Tricks und Kniffe, mit den Tücken des Haushalts fertigzuwerden. Eine Frau klebt sich beispielsweise ihren Armreif am Arm fest, damit dieser beim Kuchenteigkneten nicht dauernd in die Schüssel rutscht . Gerade weil solche Erfindungen völlig banal sind, muß man schmunzeln und manchmal lauthals lachen, denn sie erinnern einen an die selbst erfundenen merkwürdigen Provisorien.

In einem wesentlich schrilleren Milieu spielt der deutsche Kurzspielfilm »Liebe, Eifersucht und Rache« von Michael Byntrupp. Der Film ist laut Untertitel eine Lektion »Deutsch für Deutsche«. In dieser Übung lernen wir das Telefonieren. Während sich zwei Schwule wie bei einem Sprachkurs überdeutlich am roten Stöckelschuhtelefon über den Sinn von untertitelten Filmen unterhalten, steuern die Bilder auf einen Höhepunkt zu. Ähnlich wie Kaurismäki ist Byntrupp keine Neuentdeckung, seine Filme liefen schon im New Yorker »Museum of Modern Art«.

Nur wenige von Jochens Lieblingsfilmen befassen sich mit den bedeutenden politischen Ereignissen der letzten Jahre. Eine Ausnahme ist »Nicolae & Elena« des Schweizers Richard Vetterli. Er mißtraut den um die Welt gesendeten Fernsehbildern der Hinrichtung des Ehepaares Ceausescu. Bekanntermaßen wurden bei der rumänischen Revolution zahlreiche Aufnahmen manipuliert. Durch die Montage mit fiktionalem Material wird die Hinrichtung im Film als ein Fake in Frage gestellt.

Weder interessant noch witzig, eher ärgerlich ist der deutsche Trickfilm »Headquarter« von Nordtholt und Steingrobe. Ein Comic-Männchen hetzt durch verschiedene Raum- und Zeitebenen und brüllt dabei ab und zu sehr treffend: »Zu viel Kitsch.«

Zusätzlich zum »offiziellen Programm« werden noch drei Filme aus dem angeblich sehr beliebten »trash- nite«-Programm gezeigt. »Deutschland privat« scheint das Motto dieser Zugaben zu sein. Allein zeitlich herausragend ist »Angelika«. Dieser Videostreifen zeigt endlich öffentlich, mit was der normale Videot seine Bänder füllt: Urlaubsreisen, Familienfeiern, Geburtstage, Fasching, Silvester und wenn das Jahr um ist, geht's wieder von vorne los. Hier teilen sich die Geschmäcker, nicht jeder kann das auf dem Flohmarkt erstandene Filmmaterial, daß von Torsten Alisch schon von fünf Stunden auf fünfzig Minuten gekürzt wurde, bis zum Ende durchhalten. Dankenswerterweise wird dieser Film deshalb auch erst als Zugabe für die echten Home-Video-Fans präsentiert. Regina Paschke

Heute laufen die Kurzfilme um 21.30 Uhr im Freiluftkino Hasenheide.