MIT MIGRATIONSWELLEN AUF DU UND DU
: Argentinien umwirbt Gussen

■ Einwanderer aus Osteuropa sollen Wirtschaft ankurbeln

Buenos Aires (AFP/taz) — Argentinien bereitet sich auf die dritte große Einwanderungswelle in seiner Geschichte vor. Mehr als 250.000 Wolgadeutsche, Russen, Kroaten und Ukrainer sollen sich nach dem Willen von Präsident Carlos Menem ab kommendem Jahr in den Weiten des südamerikanischen Landes ansiedeln und der Wirtschaft neue Impulse geben. Noch in diesem Jahr will die Regierung 50 wolgadeutsche Familien im Rahmen eines Pilotprojektes nach Argentinien holen — ihnen sollen ab 1993 jährlich 20.000 Familien aus Osteuropa folgen. Auch andere südamerikanische Staaten scheinen sich bereits für den ehrgeizigen Einwanderungsplan zu interessieren: Die Außenminister von Chile, Peru, Uruguay und Paraguay erörterten bereits die Möglichkeit, sich dem Projekt anzuschließen.

Als Präsident Menem im Februar vor dem Europäischen Parlament mitteilte, er sei bereit, Einwanderer aus dem ehemaligen Ostblock in seinem Land aufzunehmen, sagte die EG finanzielle Unterstützung zu. Angesichts der Furcht vor einer großen Wanderungsbewegung von Ost- nach Westeuropa finanzierte Brüssel eine Untersuchung über die Umsetzungsmöglichkeiten dieses Einwanderungsprojektes.

Die neoliberale Menem-Regierung erhofft sich von den Immigranten aus Osteuropa Impulse für einen Wirtschaftsaufschwung. Geschäftstüchtige Familien aus Krisengebieten wie Kroatien oder den Umbruchländern des ehemaligen Ostblocks werden damit geworben, daß in Argentinien Frieden und Marktwirtschaft herrsche. Die meisten der derzeit 33 Millionen Argentinier hätten europäisches Blut in ihren Adern und somit keine Vorurteile gegen die neuen Bürger. Zudem existierten bereits zahlreiche ukrainische, rußlanddeutsche, russische und kroatische Gemeinden im Land. Um die Jahrhundertwende kamen sechs Millionen Europäer, vor allem aus Spanien, Italien und Deutschland nach Argentinien, wo zuvor nur rund neun Millionen Menschen gelebt hatten. Nach dem Zweiten Weltkrieg bildeten weitere rund 500.000 europäische Auswanderer als Arbeiter die Grundlage für die beginnende Industrialisierung.

Angesichts der Arbeitslosenquote von über sieben Prozent will die Regierung diesmal aber keine Arbeiter, sondern Unternehmer ins Land holen. Auch die Weltbank, die Interamerikanische Entwicklungsbank sowie die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) sollen die Neubürger mit zinsgünstigen und langfristigen Krediten versorgen, so daß jede Familie über ein Startkapital von 20.000 Dollar (knapp 30.000 Mark) verfügt. Nach Ansicht der Regierung reicht das aus, um einen kleinen Betrieb aufzubauen und damit Arbeitsplätze zu schaffen. es