Ein Pate der Filmkunst

■ Zum 125. Geburtstag des bedeutenden Schauspielers Albert Bassermann zeigt das Filmkunsthaus Babylon (Mitte) eine kleine Reihe

Wenn Albert Bassermann in der Rolle eines besessenen Wissenschaftlers in »Alraune« (1930) einen machtgierigen Blick in die Kamera wirft und wortgewaltig droht, seine Experimente bis ans Ziel zu verfolgen, werden auch die weniger ängstlichen Zuschauer vor Schrecken tiefer in den Kinosesseln versinken.

Albert Bassermann zählte in den ersten drei Jahrzehnten dieses Jahrhunderts zu den renommiertesten deutschen Bühnendarstellern. Unter der Regie von Otto Brahm und Max Reinhardt entwickelte er sein darstellerisches Talent am Deutschen Theater, bevor er ab 1915 europaweit auf Tournee ging. Bassermann war neben Paul Wegener der erste prominente Theaterschauspieler, der sich für die künstlerische Entwicklung des Films interessierte. Vor dem ersten Weltkrieg wurde der Film in Deutschland, ebenso wie in den meisten Ländern, von den bedeutenden Bühnendarstellern wegen seiner Niveaulosigkeit boykottiert. Bassermann dagegen spielte schon 1912 die Hauptrolle in Max Macks Autorenfilm »Der Andere«, eine Variation des Dr.Jekyl-und-Mr.Hyde- Themas. Trotz großen Reklameaufwands fiel der Film sowohl bei den Kritikern als auch beim Publikum durch. Dennoch blieb Bassermann dem jungen Medium treu.

Am 7. September wäre Alfred Bassermann 125 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlaß hat das Berliner Filmarchiv (das ehemalige Archiv der DDR ist heute dem Bundesfilmarchiv in Koblenz angegliedert) gemeinsam mit dem Filmkunsthaus Babylon eine vierteilige Bassermann- Reihe zusammengestellt. Neben dem »Anderen«, Bassermanns erstem Stummfilm aus dem Jahre 1912, zeigt das Kino noch drei Tonfilme aus der Epoche der Neuen Sachlichkeit, den frühen dreißiger Jahren. Unter der Regie von Richard Oswald spielt Bassermann in »Alraune« den fanatischen Wissenschaftler Brinken, der durch künstliche Befruchtung eine männermordende Frau erschafft. Der im gleichen Jahr ebenfalls von Oswald gedrehte Historienfilm »Dreyfus« bezieht deutlich Stellung gegen den schon in der Weimarer Justiz praktizierten Antisemitismus. Die Leidensgeschichte des jüdischen Hauptmanns im französischen Generalstab, Alfred Dreyfus, wird von der Verurteilung wegen Landesverrats im Jahr 1894 bis zu seiner Rehabilitierung zwölf Jahre später erzählt. Ein hochkarätig besetzter Film, in dem Albert Bassermann an der Seite von Heinrich George und Fritz Kortner zu sehen war. Ein Jahr später brillierte Bassermann wiederum in einem Justizdrama. In Robert Siodmaks »Voruntersuchung« spielt er den zwischen Pflicht und Vaterliebe stehenden Untersuchungsrichter Bienert, dessen Aufgabe es ist, einen Mord aufzuklären, den offenbar sein eigener Sohn begangen hat. Obwohl alle Indizien auf den lebenslustigen Stammhalter (Hans Brausewetter) hindeuten, versucht Bienert mit allen Mitteln, dem unschuldigen Studenten Bernt (Gustav Fröhlich) ein Geständnis abzupressen.

1934 mußte Bassermann seine Karriere in Deutschland abbrechen. Nachdem man seiner Frau Else Schiff wegen ihrer jüdischen Abstammung verboten hatte, in Deutschland aufzutreten, emigrierte das Paar über die Schweiz in die USA.

Bassermann besaß im Land der unbegrenzten Möglichkeiten nur ein Besuchervisum und stand kurz vor der Ausweisung, doch diesmal rettete ihn der Film: eine kleine Rolle in einem Film von Wilhelm Dieterle machte sein Schicksal bekannt — er durfte bleiben. Sieben Jahre arbeitete er in Hollywood und ab 1944 auch auf der Bühne am Broadway.

Nach dem Kriegsende trat Bassermann wieder in Deutschland auf, zuletzt 1951, ein Jahr vor seinem Tod, anläßlich der Wiedereröffnung des Berliner Schiller-Theaters.

Bassermann spielte Haupt- und Nebenrollen in über dreißig Stumm- und ebensovielen Tonfilmen unter der Regie berühmter Regisseure wie Siodmak, Hitchcock, Cukor, Walsh und Powell/Pressburger. Zwar erlangte er im Film nicht die gleiche Berühmtheit wie auf dem Theater, dennoch war für die künstlerische Entwicklung des Films der Name Bassermann ein wichtiger Impuls. Regina Paschke

»Alraune« läuft am 10. August um 21 Uhr, »Dreyfus« und »Der Andere« am 11.8 und »Voruntersuchung« am 12.8.