: Radfahrer — Freiwild auf Berliner Straßen
■ In diesem Jahr wurden bereits 19 Radler bei Unfällen getötet/ Meist sind Auto- und Lastwagenfahrer schuld/ Radwege bieten kaum Sicherheit
Berlin. 19 Radfahrer sind in diesem Jahr in Berlin tödlich verunglückt. Bis zum Jahresende wird der traurige Rekord von 1991, als insgesamt 24 Radler starben, wahrscheinlich überholt werden. Auf den Straßen der Hauptstadt sterben mehr Biker als in allen anderen deutschen Städten.
Bislang letztes Opfer ist der 26jährige Hajo V., der am Mittwoch auf dem Müggelheimer Damm in Köpenick tödlich verletzt wurde. Kurz zuvor hatte ein Lastwagen einen 21jährigen auf der Großbeerenstraße in Mariendorf überrollt.
»Radeln wird in Berlin in jedem Jahr gefährlicher, schon weil es immer mehr Autos gibt«, sagt der Fahrradkurier Ingo Brunner. Nach Meinung der Polizei sind häufig die Radler selbst an den Unfällen schuld. »Viele verhalten sich unvorsichtig oder regelwidrig«, erklärt Uwe Gärtner von der Pressestelle der Polizei. Dennoch sind nach einer Statistik in mehr als 60 Prozent der Unfälle, bei denen Radfahrer verletzt wurden, Auto- und Lastwagenfahrer schuld. Schwere Verkehrsverstöße von Radlern — etwa Mißachtung roter Ampeln oder von Verkehrszeichen vor Einbahnstraßen — führten im letzten Jahr zu keinem einzigen Unfall. »Wer so etwas macht, paßt auf«, erklärt Uta Wobit, Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC). Gefährdet seien paradoxerweise gerade die Unaufmerksamen, die sich sicher wähnten, bloß weil sie auf ihr gutes Recht vertrauten.
85 Prozent aller Unfälle in Berlin ereignen sich auf Hauptverkehrsstraßen. Die größte Gefahr für Radler sind abbiegende Autofahrer, die geradeaus weiterfahrende Radfahrer übersehen. »Häufig sind die Fahrradwege zugeparkt oder zu schmal, und dann ist jede Kreuzung eine Todesfalle«, erklärt Kurierfahrer Ingo Brunner. Drei weitere Radfahrer wurden letzte Woche bei Unfällen schwer verletzt, alle auf Hauptverkehrsstraßen.
Nach einer Unfallauswertung der Polizei ereignet sich bei Straßen mit Radwegen etwa alle 300 Meter ein Unfall, auf Straßen ohne Radwege dagegen nur alle 1,2 Kilometer. Dennoch konzentriert sich der Ausbau des Fahrradroutennetzes des Senats auf Radwege an stark befahrenen Straßen. »Daß auf großen Straßen mehr Unfälle passieren, liegt daran, daß es dort eben einfach mehr Verkehrsteilnehmer gibt«, meint Arild Peltz, leitender Baudirektor der Senatsverwaltung Verkehr und Betriebe.
Der ADFC hält es für verfehlt, die Radwege an Hauptverkehrsstraßen weiter auszubauen. »Kleine Straßen in verkehrsberuhigten Zonen sind viel sicherer, weil die Autofahrer da nicht so rasen«, sagt Uta Wobit. »Auch wegen der Schadstoffe und des Lärms ist es Unsinn, die Radler an Hauptverkehrsstraßen entlang fahren zu lassen.« Miriam Hoffmeyer
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