Geld und Geist

Die schöne schräge Welt der Kinder der Reichen. Oder: Der Generalkonsul der Volksrepublik Samoa gibt sich die Ehre. Ein Vorgeschmack  ■ Von Mirjam Schaub

I. Der Porschefahrer

Jung und reich muß es sein. Das Objekt meiner Begierde. In Gestalt eines dunkelhaarigen Mannes mit gebräuntem Gesicht, das höchstens 23 Jänner zählt, begegnet es mir zum ersten Mal, in die Lederpolster eines offenen Porsche versunken. Im Nadelöhr der Münchner Innenstadt, nur wenige Schritte von der Sonnenbrillenfront der Süddeutschen Zeitung entfernt, steht der Mann um 17 Uhr 59 im Stau, kniehoch neben den Rädern meines 28er Mittelklassefahrrads. Als ich an ihm vorbei auf den Bürgersteig rumple und vor dem Schaufenster des Schuhhauses „Sauro“ zu stehen komme, lächelt er mich an. Ein Zuhälter? Ich werfe einen Blick auf das Kennzeichen. Nein, eher ein Mediziner: M- ED-9660. Oder ein Medici? Der Porschemotor heult auf, das schwarze Ding mit dem Design eines CD-Players bewegt sich drei Meter auf die Ampel Ecke Oberanger/Rindermarkt zu. Ich trete in die Pedale, überhole von rechts, stoppe an der Seite des jungen, reichen Mannes ab. „Entschuldigung, haben Sie vielleicht eine Sekunde Zeit?“ Der Mann dreht die Musik leiser. „Ja.“ — „Im Stadtcafé“ — „In zwei bis drei Minuten.“ Die Ampel schaltet auf Grün.

II. Die Kinder der

Reichen — im allgemeinen

Natürlich habe ich Vorurteile. Die Kinder der Reichen haben mich nie sonderlich interessiert. Ich wußte nicht einmal, wieviele von ihnen tatsächlich 10.000 Mark im Monat aus der Teakschublade ihrer Eltern bekommen. Niemand hat mir den Kniff beigebracht, wie eine Frau ihr 400 Mark teures Hermes-Halstuch richtig bindet. Mein Patenonkel hat mir nie einen Bandring geschenkt, der in der Mitte mit einem Saphir, beidseitig mit zwei kleinen Diamanten besetzt war. Niemand hat mich je den Gräfinnen Schall-Riancour und Schulenburg vorgestellt, damit ich im „Exclusiv Tanzkurs“ bei Wolfgang Steuer am Stachus in die Kreise der adeligen Lodenjankerträger mit Jagdschein eingeführt werde.

All diese Umstände bringen es mit sich, daß ich Kinder reicher Leute für langweilige und alles in allem bedauernswerte Geschöpfe gehalten habe. Kinder, die für eine Kindheit zu gewichtige Eltern besitzen. Kleine Erwachsene, die in dem Wissen erzogen werden, daß sie nie erreichen müssen, was ihnen die Eltern jetzt schon bieten.

Erst das Erlebnis mit dem Porschefahrer — dem ersten, mit dem ich überhaupt ein Wort wechsle —, läßt mich an der Richtigkeit meiner Guy-de-Rothschild-, Emile-Zola- und Thomas-Mann-Lektüre zweifeln. In der Städtischen Bibliothek finden sich zudem auf den Mikrofiches sechs Titel zum Stichwort Geld und Geist, eine Kombination, die nicht einmal von Geld und Währung übertroffen wird. Jeremias Gotthelf erschließt mir mit seinem Buchtitel den höheren Sinn: Geld und Geist. Oder: Die Versöhnung. Ein dialektischer Streifzug nimmt seinen Lauf.

III. Versöhnung durch Tradition

Gabriel A. ist 22 Jahre alt. Ein angenehmer, scheuer Mensch. Ich treffe ihn im Café am Wiener Platz, dort wo der Milchkaffee nicht unter 4 Mark 50 zu haben ist und Neue Wilde an den Wänden hängen. „Ich male gerne. Plakativ und großflächig muß es sein“, sagt Gabriel gedehnt, hochkonzentriert. Gabriel ist Sohn einer seit sieben Generationen erfolgreichen Kaufmannsfamilie.

In der Residenzstraße macht eine Reihe von Messingschildern auf die Vielseitigkeit der Firma A. aufmerksam: Tabakzentrale, 4.Stock, Seidl-A., Mayser: Ulm, Lindenberg. In den Vitrinen im Erdgeschoß werden Davidoff-Zigarren bis zu 100 Mark das Stück feilgeboten. Ein Passant versichert, Havanna sei schmackhafter, die Davidoffs „momentan schlecht gewickelt“. Im Franziskaner Poststüberl nebenan kostet Tellerfleisch mit Meerrettich an diesem Aprilnachmittag 12 Mark 30. Nichts deutet darauf hin, daß hier einer der reichsten Münchner Kaufleute, der Besitzer des Kaufhofs am Marienplatz, zur Arbeit geht. „Mächtig, wohlhabend, zurückhaltend“, charakterisierte einmal die Münchner Abendzeitung Gabriels Vater.

Gabriel A. ist in dieser Tradition groß geworden. Nach seinem Abitur ging er für ein halbes Jahr nach Berkeley. Danach zur Bundeswehr. Heute macht Gabriel eine Ausbildung zum Industriekaufmann. „Um ehrlich zu sein, die Ausbildung ist nicht besonders toll. Aber ich möchte später nicht dastehen und mir von meinem Buchhalter die einfachsten Sachen erklären lassen müssen.“ Wenn Gabriel vor etwas Angst hat, dann nicht davor, Geld zu verlieren, sondern, den Ansprüchen seiner traditionsreichen Familie nicht zu genügen. Er arbeitet hart. Der Schickeria- Rummel bedeutet ihm nichts, auch wenn er das Wort „dekadent“ in diesem Zusammenhang nicht verwenden möchte. „Viele meiner ehemaligen Mitschüler leben total unrealistisch. Die Schulzeit im Privatinternat geht nahtlos in das Studium an der Uni über. Sie bewegen sich immer in denselben Kreisen. Menschen, die ihr Gefühls- durch das Gesellschaftsleben ersetzt haben.“

IV. Der Starnberger See

Mit untrügerischer Sicherheit wälzen sich bei Sonnenschein die gelackten Kolonnen. Fünf BMW-Cabrios und drei Porsche-Carreras in vier Minuten fahren, einzeln mit Gabriels Klassenkameraden in Kaschmir-Sakkos bestückt, in Richtung Licht, Wind und Wolken. 24 Kilometer südlich von München liegt der Starnberger See.

Ulrich Beck, der Soziologe, schrieb 1986 im Vorwort zu seiner Risikogesellschaft: „Wer zwischen den Zeilen hin und wieder das Glitzern eines Sees zu erkennen meint, irrt sich nicht. Breite Teile des Textes wurden auf einem Hügel im Freien oberhalb des Starnberger Sees verfaßt.“ Mit dem Vermögen der Stiftung Volkswagenwerk ausgestattet, konnte Beck zum furiosen ersten Satz seines Werks ausholen: „In der fortgeschrittenen Moderne geht die gesellschaftliche Produktion von Reichtum systematisch einher mit der gesellschaftlichen Produktion von Risiken.“

Wer in Starnberg den Versuch unternimmt, der Nutznießer der Reichtumsproduktion ansichtig zu werden, wird enttäuscht. Auf dem abgetakelten S-Bahn-Steig, dort, wo morgens die erste Bahn wie anderenorts auch um 4.43 Uhr in Richtung München tuckelt, frieren blaßgesichtige Männer und Frauen und lesen, manchmal, Bunte. Die Gesichter derer, die hinter den Steuerrädern ihres Autos auf das Ereignis warten, sind so unzugänglich wie ihre Häuser, die mit Taxushecken, Festungsmauern und Dreiergaragen weiträumig abgeschirmt sind. Der ortsansässige Golfclub nimmt keine neuen Mitglieder auf. Hauptsache, man ist unter sich. Starnberg, Seeshaupt, Berg oder Tutzing sind „Kurorte“ ganz besonderer Klientel. Ein jeder versichert sich doppelt und dreifach rück; bestärkt vom nur unwesentlich prominenteren Nachbarn.

Reichtum, der sich bajuwarisch gibt. Viele der alten, kleinen Holzvillen in egerländer-unterammergauer-oberfränkischem Stil beherbergen in ihren Blumentöpfen die ersten Sprößlinge der Geranienaufzucht des Frühjahrs. Das Antiquitätengeschäft um die Ecke in der Possenhofenerstraße verramscht einen alten Beichtstuhl aus einem beizeiten säkularisierten Kloster: 725 Mark. Die Kniepolster sind abgewetzt, die Stickereien in hellbeige auf schwarzem Grund kaum mehr auszumachen.

V. Versöhnung durch Bier

„Ganz Bayern ist voller Alpen. Die Alpen sind voller Almen. Die Almen voller Sennerinnen und diese voller Unschuld“, hat Walter von Cube, der Ex-Programmdirektor des Bayerischen Rundfunks, einmal gesagt. Als ich Jan B. mittags beim Weißbiertrinken zuschaue, bekomme ich das Klischee nicht aus dem Kopf. Jan, 23 Jahre alt, ist Bayer: groß, breitschultrig, schlagfertig, trinkfest. Der Sohn aus einer bekannten Braudynastie kann auf „alles Materielle verzichten“, nur aufs Bier nicht. Jedenfalls fast. Mit seinem Freund wettete er einen Monat lang um Abstinenz: „Wenn ich kein Bier trinke, rauchst du keine Zigarette mehr.“ Jan hat die Wette gewonnen. „Natürlich“, sagt er. Jans Vater hat für 36 Millionen Mark Bayerns bekannteste Volkssängerbühne „Platzl“ umbauen lassen. Seit 1990 ist er in den Kreis der Obersten aufgenommen und schenkt im Armbrustschützenzelt auf der Wies'n Bier aus. Ansonsten blüht das Familiengeschäft mit Immobilien (Neuperlach 300 Wohnungen), Dampfsägewerk, Holzhandlung, Hotellerie und Deutschlands ältestem Fertighausunternehmen („Isartaler Holzhaus“).

Wenn Jan nicht von seiner Summer-School in Harvard, seinem BWL-Studium in München erzählt, — seiner Hochachtung für den Professor, der Freundschaft zu seinem Vater, der ihn an wichtigen Entscheidungen teilhaben läßt —, beschreibt er gerne sein „Idealszenario: Ein See in Kanada mit einer Blockhütte davor und einem ins Wasser ragenden Steg. Möglichst keine Braunbären. Ein Schaukelstuhl, eine mittelgroße Angel, zwei bis drei Bücher, von mir bereits empfohlenen Autoren. Ich möchte endlich einen schönen, langweiligen Urlaub machen.“

VI. Die Funkturmfete

Am Abend lerne ich endlich die Leute kennen, die Jan einfach „dekadent“ findet. Mit Freund Max breche ich in Richtung Flughafen Riem auf. Irgendwann finden wir den Zugang in das stillgelegte Geflecht von Zufahrts- und Transportwegen, rumpeln an mit Eisenstangen verrammelten Waggons vorbei, und kommen unter den gleißenden Positionslichtern des Flughafens endlich am Funkturm an, in dem die Fete steigt.

Max hat es dank seiner unverbrüchlichen Kontakte zum Starnberger Segelclub, dem „Bayerischen Yachtclub“ geschafft, nicht nur sein erstes juristisches Staatsexamen (Prädikat!) hier zu feiern, sondern auch eine weitere Einladung zum illustren Ort zu erwirken. An der Tür wird Sekt mit Cointreau und Lemon gereicht, der „Gatsby“, hausgemixt. Mit blau-rot-weiß gestreiftem Strohhalm zwischen den Lippen steigen wir die Wendeltreppe zur Funkzentrale hinauf. Seit zwei Jahren ist hier kein Funksignal mehr über den Äther gegangen. Der bayerische Staat hat den Turm an einen Münchner Partyhengst verpachtet. Hier steigen abends für 700 Mark Miete die Feten der Münchner Kids. Sie sind 18, allerhöchstens 25 Jahre alt. Die Frauen kleiden sich dezent. Die Chevignon- Jacke oder die Wachsjackos von Barbour verraten längst nicht mehr, ob hier mit Wasser oder Sekt gekocht wird. Hoch hinaus wollen sie alle. Das feine Taxier- und Taktierspiel üben sie allabendlich.

Das Licht wird verdunkelt, auf dem Fensterbrett der Funkzentrale zieht eine Frau mit Unschuldsmiene eine Strip-Nummer im Stil der 60er Jahre ab. Ein dunkelgelockter Schicki streichelt mir mit seinen Ledersohlen (English-House?) die Fußspitze. „Schon das zweite Mal“, entschuldigt er sich. Die meiste Zeit steht er am Rande der Tanzfläche und tauscht mit seinem Freund in Armani-Jeans und Janker aus Trachtenschilfleinen Intimes aus.

Er gehört nicht zu denen, die an diesem Abend versuchen, die Latte aus Sperrholz zu überwinden, die den Partyraum in der Funkzentrale von den oberen Stockwerken trennt. An heißen Sommerabenden fahren sie auf der Turmspitze im Freien an einem Brecheisen im Kreis Fahrrad. Am besten sturzbesoffen, fünfzig Meter über dem Abgrund.

VII. Versöhnung

durch Verarmung

Ich erkenne James C. – wie verabredet – an seinem silbernen Totenkopfring. Er trägt das Souvenir aus London am rechten Mittelfinger. Wir suchen uns einen sonnigen Platz im Café Extrablatt hinter der Münchner Freiheit, direkt an der Leopoldstraße. James bestellt einen Cappuccino. Jeden Morgen fährt James in eine städtische Schule. Dort interessiert er sich für Chemie und Physik, zu Hause spielt er mehrere Stunden E-Gitarre. Von den zehn Büchern, die er in seinem Leben gelesen hat, fasziniert ihn Herr der Ringe am meisten. Die sogenannten Szenelokale meidet James, seit seine Exfreundin mit erhobener Nase an ihm vorbei ins Parkcafé stolziert ist. „Da hab' ich gekotzt und bin gegangen.“ Am Tisch nebenan wird ein junges Model mit Alain-Mikli-Brille und Le Monde drapiert. Eine Frau lenkt mit einem aufgespannten weißen Trapeztuch die letzten Sonnenstrahlen auf sein Gesicht. James würdigt die Szene keines Blicks: „Ich finde keine interessanten Leute mehr in München. Die Leute hier in Schwabing kenne ich alle, die sind langweilig. Die aus Bogenhausen kenne ich auch alle, und alle aus Harlaching. Mit den andern will ich nichts zu tun haben. Die meisten Leute, die ich lange kenne, machen immer dasselbe.“ Als Kind hat James nach der Scheidung seiner

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Eltern zuerst beim Vater gelebt. Seinen Urlaub hat er auf Hawaii oder den Fidschi-Inseln verbracht. Vier- oder fünfmal mußte er die Grundschule wechseln, weil sein Vater — Unternehmensberater, Immobilienhändler, Golfplatzbauer — von einer Ecke Münchens in die nächste gezogen ist. „Mein Vater ist ein Lebemann. Er will Abenteuer, Geschäfte machen. Er ist ziemlich ausgekocht. Seit der Steuerreform sind wir pleite.“ Zu Hause wechselten bis zu James elftem Lebensjahr die Au-pair-Mädchen. „Es liegt in der Familie, daß die Dinge nie lange spannend sind. Ich weiß auch nicht, warum.“ Später einmal will James nach Amerika fliegen, ein Pferd kaufen. In die Rockies reiten.

VIII. Türsteher und

andere wissenswerte Dinge

Anders als James Schwester Clara, deren Vater rechtzeitig, das heißt, als Clara sechzehn Jahre alt war, den Türsteher vom P1 bestochen hat, habe ich keine Chance, in Michael Käfers Szenedisco hineinzukommen. „Nur für Stammgäste.“ Ohne Zweifel bin ich in Ermangelung dieses Vorzugs für die eineiigen Zwillings-Türsteher des P1 inakzeptabel. Ich gehe statt dessen ins Roses, die Kinderstube. Dort ist der Türsteher gerade damit beschäftigt zu prüfen, ob seine Muskeln noch richtig sitzen. „Man muß in München nur eine Garage mieten und einen Bodybuilder davorstellen, im Nu ist der Laden mit Schickis voll“, hat mir Gabriel verraten. Wäre ich an diesem Abend nicht mit Helma, sondern mit Max und seinen Freunden von der Studentenverbindung „Münchner Gesellschaft“ (jaja, Kameradschaft, Ritterlichkeit, Tradition) ins Roses gegangen, hätten wir neun Liter Moet Salmanaza trinken können. Für 1.900 Mark, wie es die Getränkekarte ausweist. So aber fülle ich mich für nur 14 Mark 50 mit dem hauseigenen Cocktail (Gin, Grenadine, Ananas und Sahne) ab. Während ich die mit Rosen verdüsterten Tapeten im Auge behalte, tauscht die Bogenhausener Clique am Nebentisch Geschichten aus. Geschichten über die anderen, die noch reicheren Kinder und ihre Eltern. Zimmermann, Flick und Konsorten, abgeschirmt in der Pienzenauerstraße. Die 17jährige Tochter des Komponisten und Produzenten Ralph Siegel („99 Luftballons“) soll nicht die Mittlere Reife, dafür aber den Sprung in die Welt der Models geschafft haben. Michael Schottenhamel, der Bierdynastiesohn, sei durchs erste juristische Staatsexamen geflogen und erteile seitdem vor seinem Haus Falschparkern Mahnzettel. Michaela Volkhardt, die Tochter des Bayerischen- Hof-Inhabers — dort wo Gorbatschow im Februar zur Weißwurst einkehrte — soll geheiratet haben. Man munkelt, daß das väterliche Hochzeitsgeschenk ein Grundstück von 35.000 Quadratmetern samt Villa (4 Millionen) gewesen ist.

Das sind schöne schräge Geschichten. Immer unglaubwürdig, weil das Geld ohnehin die Vorstellungskraft übersteigt. Die alltäglichen Erziehungsversuche der weniger reichen, nichtsdestotrotz Very Important Persons, eignen sich im Roses allenfalls als „Aufwärmgespräch“. Weil Erziehung Elternsache ist und niemanden etwas angeht. Ein solcher VIP in der Welt der Special-Interest-Zeitschriften ist der erfolgreiche Herausgeber Robert D. Er redet gerne davon, daß „der Mensch halt Bedürfnisse hat“. Bedürfnisse nach Surfboard, super Bike und super-super Cabrio. In Schnee, Wind und Wellen, auf Berghang und Überholspur ist er Mensch, da kann er sein. Die beiden Söhne wissen von ihrem Vater, daß er ihnen sehr sehr viele Game-boys schenken kann, leider aber äußerst ungehalten reagiert, wenn einer der Jungs während der exquisiten Auto-Foto-Session in die Hose macht. Robert D. braucht sehr viel Aufmerksamkeit fürs Geschäft. Eine Investition, die sich auszahlt.

IX. Die Nymphenburger

Wenn die betuchten Münchner ihre Kinder nicht auf das Internat nach Ettal oder auf das „Katholische Familienwerk“, das KFW-Pullach, schicken, ist das „Nymphenburger Gymnasium“ eine der bevorzugten Alternativen. Auch Gabriel A. und Jan B. sind hier zur Schule gegangen. Die Privatschule liegt im Münchner Norden, in der Nähe des Schloßparks. Am Tag, an dem in Bayern die Osterferien anfangen, kann man die „kleinen Hübschen“, die 13jährigen Infantinnen mit dem Las-Meninas- Lächeln nach ihren Reiseplänen fragen. Skifahren in Colorado oder Davos, Golf in Mailand, eine Woche Expo in Sevilla ...

Auf dem Schulhof blödeln die Primaner. Im Spaß ist alles erlaubt. Sie schimpfen sich gegenseitig „Konsumpopper“, verscheuern „Etagenadel, alles im Angebot“, lassen ihre Mitschülerin Julia Dobisch zum Thema monatliches Taschengeld ein „2.000 Mark“ in die Mikrophone der Münchner Abendzeitungs-Reporterinnen hauchen. Am nächsten Tag steht der Unsinn in der Zeitung. Markus S., der Knabe, der die Sache angezettelt hat, gesteht im Vertrauen: „Bei uns in der Klasse ist der Sohn eines sehr reichen Reinigungsunternehmers. Der sieht aus, als hätte er unter der Brücke geschlafen. Er haßt das Geld seines Vaters.“ Auch Markus S. hat — er liegt im Trend — seine „Prinz- oder Bettelknaben-Nummer“, die neueste Variante einer Visitenkarte parat: „Markus S.: Generalkonsul der Volksrepublik Samoa.“

X. Der Porschefahrer —

da capo al fine

Der junge, reiche Porschefahrer also, mit dem ich mich gerade — auf meinem Mittelklasse-Fahrrad sitzend — in der Münchner Innenstadt, also dort, wo die Rosentalstraße den Oberanger Rindermarkt kreuzt, in „zwei bis drei Minuten“ im Stadtcafé verabredet habe, rollt sanft davon. Ein ziegenbärtiger Mann zu meiner Rechten bricht in lautes Gelächter aus. Ich muß einfach mitlachen. Da stoppt mein Porschefahrer intuitiv, provoziert um Haaresbreite einen Auffahrunfall, mißtraut seiner neuesten Bekanntschaft und wirft einen Blick in den Rückspiegel... Dann gibt er Vollgas. Auf Nimmerwiedersehen.

Abgekürzte Namen von der Redaktion geändert, die Automarken nicht.