Fadenscheinigkeit-betr.: Berichterstattung über die beiden getöteten Waisenkinder, taz vom 4.7.92

betr.: Berichterstattung über die beiden getöteten Waisenkinder, taz vom 4.7.92

Daß sich die taz — mehr aber noch die um Klassen langweiligere Zeitungskonkurrenz — derart über die beiden getöteten Waisenkinder ereifert, ist nicht weiter zu verstehen. Es mag zwar zynisch klingen, aber allenfalls Zynismus kann Mittel zum Zweck der Anschauung dieser Welt sein: Täglich sterben bei Unruhen in Südafrika mehr Menschen als bei dieser Aktion. Täglich verhungern zigtausend Kinder überall. In Somalia sterben die Menschen wie Eintagsfliegen am Abend. Und alle Welt regt sich über ausgerechnet diese beiden Kinder auf, die getötet worden sind. Da hört doch jeglicher Realitätsmaßstab auf.

Sicher ist es schlimm, was passiert ist, und Berechtigung hat sicherlich die Berichterstattung darüber und die Kritik daran, aus welch merkwürdigen Motiven heraus diese Aktion geschah. Aber warum zieht sich denn in Deutschland jegliche Presse ausgerechnet an diesen beiden Kindern hoch? Weil die Angst doch etwas näher gerückt ist, weil es eine auf Deutschland gerichtete Aktion war? Weil deutsche Politiker ihre Hände mit im Spiel hatten? Weil die allgemeine Anschauung, den Tod von Kindern schrecklicher zu finden als den von erwachsenen Menschen, auch hier voll zugreift? Weil das Sommerloch überpinselt werden soll? Weil es mal eine neue Art von Tod ist, die man noch nicht präsentieren konnte — „Waisenkinder bei Evakuierung getötet“, das hört sich ja schließlich schon an, als läge die Meldung direkt neben der Tränendrüse. Alles Fadenscheinigkeit. Sebastian Lovens, Duisburg