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KOMMENTARBis zum letzten Haus?

■ Der Krieg in Bosnien-Herzegowina wird uns noch jahrelang mit Entsetzen erfüllen

Sondergesetze“ für bosnische Moslems, Internierungslager zur Vorbereitung der „ethnischen Säuberung“, Granaten auf Feuerwehrleute in Sarajevo — mit wachsendem Entsetzen verfolgt die Weltöffentlichkeit den Bürgerkrieg auf dem Balkan. Doch wo Erschrecken und Entsetzen sind, wächst auch die Bereitschaft, etwas zu tun: Da muß „man“ doch helfen, da muß „man“ doch eingreifen. „Man“: die UNO, die Nato, das Rote Kreuz, die Bundeswehr, jeder einzelne. Forderungen nach Taten bestimmen die Diskussion, immer massivere Appelle nach einer wie auch immer gelagerten „Intervention“ werden laut. Die Anspannung wächst von Tag zu Tag.

Und es geschieht ja auch etwas. Seit über einem Monat besteht die Luftbrücke nach Sarajevo, der zweite Flüchtlingszug aus Bosnien traf am Wochenende in der Bundesrepublik ein, das Internationale Rote Kreuz wird die Internierungslager besichtigen dürfen. Menschenleben sind so gerettet worden. Der Beendigung des Krieges aber ist „man“ keinen Schritt näher gekommen. Das wäre auch dann nicht der Fall, wenn es in den nächsten Tagen gelingen sollte, den vielfachen Bruch der Sanktionen gegenüber Serbien einzuschränken. Die Nachschublinien für die serbischen Truppen in Bosnien wären dadurch nicht gefährdet.

Wie aber den Krieg beenden? Mit einer militärischen Intervention? Um zu verstehen, wie wenig dieser Vorschlag zu realisieren ist, ist zur Zeit keine Friedensbewegung nötig. Der bundesdeutsche Verteidigungsminister selbst ist es, der abrät, und auch der Präsident der USA will kein zweites Vietnam.

EG-Politiker meinen, den Krieg mit einer „ethnischen Kantonalisierung“ Bosniens beenden zu können. Heißt die Lösung also „abgesteckte Gebiete für Serben, Kroaten und Moslems“? Für Serben und Kroaten wäre dies kein Problem, sie haben ihren Teil Bosniens schon lange unter Kontrolle, die Grenzstreitigkeiten ließen sich im gegenseitigen Einvernehmen sicher schnell lösen. Die moslemische Bevölkerung Bosniens wird sich jedoch kaum mit einem Kleinstaat um Sarajevo zufriedengeben, unterstützt von der arabischen Welt würde sich auch hier ein Partisanenkrieg entwickeln. Doch auch die Kosovo-Albaner werden das schrittweise Entstehen eines „Großserbiens“, denn nichts anderes wäre die Kantonalisierung, nicht akzeptieren.

Was bleibt? Der Sturz von Milosevic? Auch ohne ihn werden Karadzic und seine Truppen die ethnische Säuberung fortsetzen. Ein Einlenken von Karadzic? Auch ohne ihn — das haben Interviews der letzten Tage deutlich gemacht — werden zumindest Teile seiner Truppen weiterkämpfen.

Und so wächst nach mehr als einem halben Jahr Bürgerkrieg in Bosnien die verunsichernde und erschreckende Erkenntnis, daß „man“ diesen Krieg nicht beenden kann, daß es für ihn kein schnelles Ende geben wird. Humanitäre Hilfe ist notwendiger denn je. Aber mit dieser Hilfe sollten keine Illusionen transportiert werden. Dieser Krieg wird uns noch jahrelang mit Entsetzen erfüllen. Solange, bis auch das letzte Haus zerstört, bis auch der letzte Mensch vertrieben sein wird. Doch weil die Weltöffentlichkeit diese fatalistische Anschauung aus moralischen Gründen nicht hinnehmen kann, sucht sie weiter nach Auswegen. Sabine Herre

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