Japan auf neuer Mission

Blauhelmgesetz in Kraft/ Unterhöhlung der UNO-Prinzipien im Balkankrieg befürchtet  ■ Aus Tokio Georg Blume

Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg rüstet sich Japan für eine militärische Mission im Ausland. Die Vorbereitungen für den Einsatz japanischer Soldaten bei den UNO- Blauhelmtruppen in Kambodscha laufen bereits auf Hochtouren. Inzwischen gibt es dafür auch eine gesetzliche Grundlage: Gestern trat das im Juni nach zweijährigen Beratungen verabschiedete Blauhelmgesetz auch offiziell in Kraft.

Der Wunsch nach weltpolitischer Anerkennung läßt sich jedoch nicht per Gesetz erfüllen. Staatsminister Koichi Kato, der am Montag das neue „Internationale Friedenskooperationsbüro“ der Regierung eröffnete, räumte ein, daß Japan in Fragen der internationalen Friedenssicherung „wenig Erfahrung“ aufweise und deshalb der „Kreativität bedürfe, um das Gesetz in die Tat umzusetzen“. Japanische Beamtenkreativität soll nun also helfen, den Massenmörder Pol Pot zum Niederlegen der Waffen zu bewegen. Denn es ist vor allem der Widerstand der Roten Khmer gegen das Friedensabkommen für Kambodscha, der die Entsendung japanischer Blauhelmtruppen nach Indochina heute noch fraglich macht. Eigentlich hätten die Soldaten schon jetzt ihren UNO- Friedensdienst antreten sollen. Doch die Tokioter Regierung scheute das Risiko und wollte beim ersten Auslandseinsatz ihrer Truppen nichts überhasten. Deshalb bricht heute nur eine zwanzigköpfige Delegation aus dem Verteidigungsministerium nach Phnom Penh auf. Sie soll vor Ort die Aufgaben der Soldaten erkundschaften und dann einen Einsatzplan aufstellen.

Das Tokioter Außenministerium rechtfertigt dieses Vorgehen als „ein Zeichen der Zurückhaltung“, welches deutlich mache, wieviel Japan noch zu lernen habe. Bewußt setzten die Diplomaten nur auf „erfolgversprechende Aufgaben“ für japanische Soldaten, denn sie befürchten, daß im Falle eines Fehlschlags in Kambodscha die Japaner von Blauhelmen bald genug haben.

Also werden die japanischen Blauhelme in Kambodscha voraussichtlich nur Straßen und Brücken bauen, noch dazu im südöstlichen Landesteil, der von Pol Pot und seinen Männern am weitesten entfernt liegt. Solche Vorkehrungen bereiten Tokio bislang keine Schwierigkeiten, weil mit dem UNO-Missionsleiter in Kambodscha, Yasushi Akashi, bereits ein Japaner vor Ort ist. Yasushi Akashi wurde schließlich für sein Amt ausgewählt, um Japan die erstmalige Beteiligung an einer Friedensmission zu erleichtern. Heute ist das Außenministerium in Tokio über Akashis Impulse dankbar. „Noch bis vor kurzem“, so ein Beamter, „waren unsere Diskussionen sehr abstrakt. Akashi hat das verändert.“

Denkbar ist nun, daß Ende Oktober etwa sechshundert japanische Blauhelme in Kambodscha zum Einsatz kommen. Damit das Vorhaben gelingt, will Tokio in den kommenden Wochen den politischen Druck auf Pol Pot und seine letzten Verbündeten in Thailand und China verstärken. Für die „Unter-dem-Tisch-Diplomatie“, so ein hoher Diplomat, bleiben der japanischen Regierung noch vier Wochen . Danach will man zu politischen Sanktionen greifen.

Japans politische Maxime lautet dabei: Was immer passiert, die Blauhelmmission der UNO darf nicht gefährdet werden, denn nur für sie gibt Japans neues Gesetz der Truppe einen Auftrag. Ungeliebt sind deshalb auch die vom Westen angeführten Diskussionen im Weltsicherheitsrat, die im Zusammenhang mit dem Balkan-Krieg über bloße Blauhelmmissionen hinausgehen. „Für weitergehende Aktionen in Jugoslawien haben die Europäer die KSZE und die WEU“, bemerkt ein japanischer Diplomat skeptisch, „dafür brauchen sie nicht die UNO-Prinzipien unterhöhlen.“