INTERVIEW
: Langfristige Schädigung des Immunsystems

■ Günter Baitsch, Chefarzt in Bad Säckingen, über die Folgen der Ozonbelastung

taz: Herr Baitsch, was genau bewirkt Sommersmog?

Günter Baitsch: Die hohe Ozonbelastung bewirkt eine Schädigung der Zellmembran(haut) und der ganz kleinen Zellen tief in der Lunge, wo der Sauerstoffaustausch stattfindet. Die Ozonkonzentrationen bewirken auch, daß das Immunsystem des Menschen langfristig geschädigt wird. Menschen, die grundsätzlich zu Asthma neigen, werden leichter erkranken.

Wer ist besonders betroffen?

Besonders betroffen sind Kinder und bereits erkrankte Menschen: Herzkranke und Lungenkranke.

Haben Sie in Zeiten sehr hoher Belastung vermehrt Fälle von Asthmatikern oder Kreislaufkranken?

Ich bin Chefarzt einer Kreislaufklinik. Wir sehen regelmäßig, daß Patienten, die chronisch herzkrank sind, bei hohen Ozonbelastungen schneller dekompensieren: Ein großes Herz ist nicht mehr in der Lage, gut zu pumpen. Es kommt schneller zu einer Wasseransammlung zum Beispiel in der Lunge.

Das gilt insbesondere bei Herzkranken?

Das gilt bei Menschen, deren Herz deutlich vorgeschädigt ist. Ähnliches beobachten wir bei chronischen Bronchitikern. Wir bringen in den Monaten mit hoher Ozonbelastung die chronische Bronchitis einfach nicht zur Ausheilung. Da nützen auch keine Antibiotika.

Der Richtwert der Umweltminister in Deutschland ist 180 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Was halten Sie von dem Wert?

Es gibt bei der Reaktion auf das Ozon eine enorme individuelle Streuung. Nicht jeder hat erst bei 180 Mikrogramm Ozon Probleme. Es gibt Kinder und auch Erwachsene, die Probleme bekommen, wenn der Wert plötzlich auf 100 oder 120 Mikrogramm steigt. Andere Menschen haben auch bei Ozonwerten von 360 Mikrogramm noch keine Probleme. Aber wir müssen uns an den Schwächsten in der Gesellschaft orientieren.

Die Hintergrundbelastung mit Ozon steigt auf permanent 40 bis 60 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Hat das konkrete Auswirkungen?

Die Krankheitsbilder, die ich benannt habe, werden zunehmen. Das sehen wir ja heute schon an der AOK-Statistik, daß in den Ballungsgebieten die Erkrankungen der Nasennebenhöhlen und der Lungen viel höher sind als in den sogenannten Reinluftgebieten; daß die Krankschreibungen und die Medikamentenverordnungen um ein Vielfaches über den Werten auf dem Land liegen.

Was muß möglichst schnell gemacht werden?

Das beste wäre, wenn das Benzin teurer würde. Alles andere hilft nicht: Umdenken, das ist ein wunderschönes Wort, aber vom Umdenken reden wir schon seit 15 oder 20 Jahren. Die Mehreinnahmen müssen in den öffentlichen Verkehr gehen. Interview: H.-J. Tenhagen