Lagerbesuche zu Propagandazwecken

■ UNO-Menschenrechtskommission berät über Situation in Lagern/ Bericht über Embargobruch

Genf/Belgrad (AP/dpa/taz) — Zu der ersten Sondersitzung in ihrer 43jährigen Geschichte tritt am Donnerstag die Menschenrechtskommission der UNO zusammen. 30 der 53 Mitgliedsstaaten — und damit drei mehr als nötig — hatten bis Montag vormittag dafür gestimmt, sich mit der Situation in Jugoslawien zu beschäftigen.

Tagesordnung und Ziel der Sitzung waren am Montag allerdings noch völlig offen. Angestrebt wird, daß die Kommission sich mit Berichten über die Situation in den serbischen Gefangenenlagern befaßt. Wer diese Berichte liefern soll, ist allerdings noch unklar. Das Internationale Rote Kreuz wird voraussichtlich erst in dieser Woche die Lager inspizieren können, die Kommission könnte aber auch einen eigenen Sonderberichterstatter ernennen. In Genf wurde von Diplomaten verschiedener Länder die Vermutung geäußert, die Bush-Administration habe mit der von ihr beantragten Sondersitzung vor allem den Eindruck erwecken wollen, daß sie sich „in Sachen“ Jugoslawien engagiere.

Nach den Schreckensmeldungen über die serbischen Gefangenenlager werden diese nun mehr und mehr für ausländische Politiker und Journalisten geöffnet. So konnte unter anderen der Chef der britischen Sozialliberalen Partei, Paddy Ashdown, das Lager Pale und das Gefängnis Kula bei Sarajevo besuchen. Im britischen Rundfunk beschrieb Ashdown die Lager als „gut geführt“. Das sei jedoch, so Ashdown weiter, zu erwarten gewesen, da die Serben die Lager zur Inspektion ausgewählt hätten.

Es bestehe das Risiko, daß er von den Serben zu Propagandazwecken mißbraucht würde. Dieses Risiko sei er jedoch gewillt einzugehen.

Laut der Londoner Zeitung The Guardian gibt es Anzeichen, daß die bosnischen Serben in Erwartung von Inspektionen durch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz in größerem Ausmaß Gefangene von den schlechteren Lagern in bessere Unterkünfte verlegten. So seien 1.300 Personen aus dem Omarska- Lager in eine Kaserne in Manjaca bei Banja Luka gebracht worden. In Omarska hatten britische Reporter in der vergangenen Woche Bilder von ausgehungerten Gefangenen hinter Stacheldraht aufgenommen.

In Begleitung von Journalisten hat der jugoslawische Ministerpräsident Panic eine Kaserne in Belgrad besucht. Dort sollen nach Angaben der bosnischen Regierung 2.500 Menschen festgehalten werden. Mit Brechstangen öffneten Soldaten verschlossene Tore von Lagerhäusern und Schuppen, fanden aber keine Anzeichen, daß irgend etwas in der Kaserne verborgen gehalten wird. „Wir sind Opfer einer Propagandakampagne“, sagte Panic. „Es gibt keine Lager in Jugoslawien, aber das scheint niemanden zu interessieren.“

Nachdem am Wochenende Ex- Bundesaußenminister Genscher eine bessere Einhaltung der Sanktionen gegen Serbien gefordert hatte, häufen sich Berichte über Embargobrüche. So meldete die Berliner Zeitung, daß das UNO-Embargo an der 150 Kilometer langen serbisch-mazedonischen Grenze massiv umgangen werde. 90 Prozent der Lastwagen hätten jugoslawische Kennzeichen. Der Leiter der Grenzstation Kumanova auf mazedonischem Boden habe erklärt, allein in den vergangenen beiden Monaten hätten 10.000 Lastwagen die Grenze in Richtung Restjugoslawien passiert. Als Ziel würden häufig Orte in dem von Serben besetzten Bosnien-Herzegowina angegeben.

Die mazedonische Grenzpolizei muß sie den Angaben zufolge passieren lassen, da die Fahrer gültige Papiere aus Bosnien vorweisen könnten. Die serbischen Behörden verfügten offenbar über offizielle Papiere und Stempel aus den eroberten Gebieten. Andere Fahrer gäben an, sie sollten im Transit Treibstoffe nach Bulgarien schaffen.

Während es am Montag in Sarajevo relativ ruhig blieb, setzten die kroatischen Truppen ihre Offensive in der Region um Trebinje, 30 Kilometer nördlich von Dubrovnik, weiter fort. Außerdem griffen die Kroaten serbische Artilleriestellungen im Gebiet von Mostar im Süden der Herzegowina an. Radio Sarajevo meldete, die schweren Kämpfe um das von Serben umzingelte Gorazde würden fortgesetzt.

Keine Bestechung bei Flüchtlingszügen?

Die kroatische Regierung hat Berichte zurückgewiesen, wonach bei der zweiten deutschen Sonderaktion zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus Bosnien-Herzegowina am Wochenende Bestechungsgelder gezahlt worden sind. Doch trotz der „klaren Auskunft“, die der deutsche Botschafter in Zagreb vom Leiter des kroatischen Flüchtlingsbüros erhalten haben soll, ist inzwischen auch die Kriminalpolizei in die Untersuchungen eingeschaltet worden. her/azu