taz-Lebens- und Glaubenshilfe

■ Wieder in die Kirche finden

Wieder in die Kirche finden

Reumütingen (taz) — Immer mehr BundesbürgerInnen sagen den Kirchen leise servus: Austritt. Hunderttausende sind es pro Jahr. Auf Nimmerwiedersehen wegen mittelalterlicher Politik, eines unerträglichen Papstes, wegen weltfremder, bigotter Bischöfe und wg. Steuer. Nach einem Internpapier der evangelischen Kirche gibt es regionale Steigerungsraten von bis zu 100 Prozent gegenüber 1990. Schlimm: Der Austritt gelte mittlerweile „als Statussymbol für aufgeklärte Menschen“. Die Zahlen steigen unaufhörlich, und bei gleichbleibender Tendenz verabschiedet sich das letzte Schäfchen kurz nach dem Jahr 2100. Unsere Enkel könnten also als Greise schon die letzten sein.

Doch die Rechnung geht nicht auf. Es gibt eine Gegenbewegung. Jedes Jahr treten einige Tausend ein. Die Deutsche Bischofskonferenz nennt für 1990 etwa 9.000 Neu-Katholiken (davon 5.000 reumütig zurückgekehrte). Und für den (Neu-) Eintritt gibt es herausragende Gründe. Zwei Beispiele:

FrankF.: In fortgeschrittener Bierlaune versprach er Freunden, deren gerade geborenen Jörn-T. beim Taufakt unter den Wasserstrahl zu halten. Was er nicht wußte beim Alkohol-Gelübde: Auch die Zweitpatin war, wie er auch, aus der Kirche ausgetreten. Einer aber mußte, damit kein heidnisches Wasser den Sproß benetze, Kirchenmitglied sein. Das Los traf FrankF. Und so mußte er, gerade erst per üblicher Unterschrift beim Amtsgericht den Katholiken entkommen, zur Konkurrenz. Der Beitritt jedoch, wurde der entsetzte FrankF. belehrt, gehe nun nicht per schlichtem Verwaltungsakt wie der Austritt. Da sei ein Vorstellungsgespräch obligatorisch. Beim Pastor der Heimatgemeinde wurde ein Termin vereinbart.

Was tun: Ehrlich sein? Oder eine Geschichte erfinden? Frank entscheidet sich für eine weiche Version 1.Ja, ähemm, drucks, ja, also, zitiert sich FrankF. selbst, „dann habe ich ihm gesagt, vergleichsweise mit den Katholiken fänd' ich die ev. Kirche noch fortschrittlich, aber es sei schon wegen einer Taufe, nunja, ahämm.“ Und er habe den Kirchenmann gleich gefragt, „ob er nun geschockt sei“. Keineswegs, habe der junge Pfarrer — Typ progressiv — geantwortet, „wissen Sie, hier sind schon Leute reingekommen und haben gesagt: Ich habe vor einer Stunde einen umgebracht.“ FrankF. wurde aufgenommen. Nach einem Jahr trat er wieder aus. Er nennt sich nun einen „erfolgreich aus beiden Kirchen kreuz und quer herauskonvertierten Jecken aus dem Rheinland“.

Deutlich ernster gestaltete sich der Beitritt von BenV. Der arbeitslose Lehrer, gerade erst aus der kath. Kirche ausgetreten, bekam einen Job als Sportlehrer an einer katholischen Privatschule angeboten. Eine Chance, endlich, zumindest für eine Übergangszeit. Bedingung, logo: Mitgliedschaft im Papstverein.

Der zuständige Pfarrer war ein ganz anderer als bei FrankF.: Typ altverknöcherter, reaktionärer Pope, so an die 70, wie ihn Ben schildert. Wohl nicht zu Unrecht: Der Kirchenmann habe begonnen mit einem Vortrag über den Papst, dessen „außerordentliche Gebetskraft“ z.B. erst den Zusammenbruch des Kommunismus und die Wiedervereinigung möglich gemacht hätte. Apotheker zu verdammen, weil sie Kondome verkauften, könne der Papst nicht gefordert haben, sagt der Geistliche, da JPII „Kondome“ niemals in den Mund nehme. Alle Schuld am kirchlichen Negativimage läge allein „bei den Journalisten und anderen Kulturkriegern“. Die Argumente von Austretern fand der Kathole „geistig behindert“. Schrecklich sei das, er, BenV, jetzt eine hoffnungspendende Ausnahme.

Was Ben denn in den Schoß der Hl. Röm. K. zurückbewegt habe? Ja, lügt er, die Überzeugungskraft der neuen Freundin sei es gewesen. Man müsse die Kirche, wenn, von innen verändern, habe die gesagt. Daß Ben schwul ist, verschweigt er geflissentlich: „Da wäre der Pfarrer wohl tot umgefallen.“ Herr Pastor habe ihn „nach einem unendlichen Gequatsche“ gebeten, doch demnächst mit zwei guten Freunden (oder „der Braut“) vorbeizukommen. Wozu? „Um vor Zeugen das Glaubensbekenntnis zu sprechen... Ja, das sei unbedingt nötig...“

Ben kam wieder — indes („Mit wem auch?“) ohne Begleitung. „Es war grauenvoll: Da haben sich, nach der Messe, der Pfarrer mit extra für mich geküßter goldener Stola, der Küster und der Organist, alles so stramme Haudegen, mit mir aufgestellt, und wir haben im Chor dieses ,Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater‘ vor uns hingesprochen. Zum Glück durfte ich ablesen. Danach folgte noch, ohne Vorwarnung, ein Vaterunser, und ich habe schon gedacht, der kommt jetzt in einen Gebetsrausch. Ich war der Ohnmacht nahe.“ Der Akt des Kircheneintritts aber war nunmehr vollzogen.

Jetzt wartet BenV. auf die Lehrerstelle. Und daß dort seine Homosexualität nicht auffällt, denn Schwule als Sportlehrer, das hat der Vatikan gerade erst wieder zum größten Igitt erklärt. Auch für die reumütigsten Rückkehrer. Bernd Müllender