QUERSPALTE
: Dem Volke dienen

■ Walter Mompers zweite Karriere als Wohltäter der Plattenbau-Bewohner

Vor weniger als zwei Jahren mußte Walter Momper als Chef einer rot-grünen Koalition noch die abwegige Idee einer ökologischen Stadtentwicklung vertreten. Jetzt heuert er als Geschäftsführer bei einer Firma an, die zunächst Asylbewerbern heimelige Unterkünfte in Gestalt von Containern aufstellte und inzwischen das nach 40 Jahren Sozialismus verödete Berliner Umland mit Golfplätzen, Einkaufszentren und anderen formschönen facilities zu bereichern sucht. „Auch ich bin ein Berliner Politiker“, muß Momper sich gesagt haben. Als solcher macht man sich in der Politik einen Namen, erwirbt Insider-Kenntnisse und knüpft Verbindungen, die man dann der Wirtschaft zur Verfügung stellt. In Berlin, wo bedauerlicherweise außer Schering kein nennenswertes Unternehmen residiert, führen diese Karrieren traditionell in die Bauwirtschaft. Nirgendwo verbinden sich Politik und Geschäft, Dienen und Verdienen, harmonischer als in dieser Branche.

Peter Lorenz, langjähriger CDU-Landesvorsitzender, in der eigenen Partei als „der Mann, der Angst hat zu verhungern“ verunglimpft, hat diesen Weg eingeschlagen. Und auch der ehemalige und jetzige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen, der sich zwischenzeitlich als Rechtsanwalt für Verträge mit einem Tankstellenpächter eingesetzt hatte — die dann leider vom Bundesverkehrsministerium aufgelöst wurden, weil sie angeblich zum Schaden der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen waren —, ist ein weiteres leuchtendes Vorbild. Mompers Ankündigung, er werde nicht in Berlin tätig sein, beruhigt uns. Er wird sich jenseits der Stadtgrenze schlagartig in eine persona incognita verwandeln. Daß er sich der Sanierung ostdeutscher Plattenbauten — dieser zu Beton geronnenen architektonischen Symbole des SED-Regimes — widmen will, ist herzzerreißend. „Dem Volke dienen“, wie es weiland der Große Vorsitzende Mao Zedong forderte. Wieviel Momper dabei selbst verdient, wollte er bislang den aufdringlichen Journalisten nicht verraten. Wo kämen wir auch hin, wenn sensationsgierige Schnüffler unseren selbstlosen Dienern des Gemeinwohls auch noch in die Kontoauszüge gucken wollten?

Gleichwohl können und wollen wir unsere tiefe Sorge um Walter Momper, diesen guten Menschen aus Kreuzberg, nicht verbergen. Wir erinnern uns mit Schrecken an Harry Ristock. Ristock heuerte, nachdem die SPD auf den Oppositionsbänken gelandet war, als Geschäftsführer bei einer auf Fenster spezialisierten Baufirma an. Kurz nachdem er als Spitzenkandidat ins Rennen gehen sollte, stieß jedoch ein übereifriger Staatsanwalt darauf, daß diese Firma über Jahre Sozialversicherungs-Beiträge hinterzogen hatte. Harry wußte von nix, aber mußte zurücktreten. Walter, paß bitte auf! Die Nummernkonten in der Schweiz sind nicht mehr sicher. Wir empfehlen Österreich. Michael Sontheimer