Meine Frau macht das schon

■ Prozeß gegen Ehepaar, dessen Kind an mangelnder Ernährung starb

gegen Ehepaar, dessen Kind an mangelnder Ernährung starb

Vor dem Hamburger Landgericht mußte sich gestern ein Ehepaar dafür verantworten, zwei ihrer sechs Kinder so sehr vernachlässigt zu haben, daß eines der Kinder wegen mangelnder Ernährung und fehlender ärztlicher Versorgung zu Tode kam und ein anderes ein Jahr lang stationär behandelt werden mußte. Die Zwillinge wogen mit knapp zwei Jahren ungefähr so viel wie sechs bis neun Monate alte Babys.

Die Kultur der Gerichtsberichterstattung liegt offenbar derartig darnieder, daß es zu Prozeßbeginn eines Apells des Vorsitzenden Richters Jürgen Schenk bedurfte, „mit einer gewissen Behutsamkeit zu berichten.“

Die Staatsanwaltschaft wirft den Eltern vor, ihre Kinder aus Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit unterversorgt zu haben. Ob sie denn nicht gemerkt hätten, daß die Zwillinge unterernährt seien, will der Richter wissen. Die Mutter, die nur unter Tränen über den Tod ihres Kindes sprechen kann, sagt, daß sie gehofft habe, ihre Kinder mit Schmelzflocken und guter Babynahrung aufpäppeln zu können. Um der Angeklagten zu erleichtern, ausführlich ihre damalige Lebenssituation zu schildern, wird für einen Teil der Aussage die Öffentlichkeit ausgeschlossen.

Ihr Ehemann erklärt auf Befragen des Richters, daß er die häusliche Sorge um die Kinder seiner Frau überlassen habe. „Ich war der Meinung, meine Frau schafft das schon.“ In Hinblick auf seine abgemagerten Zwillinge sagt er: „Ich hab' mir gedacht, weil das Zwillinge waren, daß die langsamer wachsen.“ Seinen damaligen Alkoholkonsum schätzt er auf täglich etwa 10 bis 15 halbe Liter Bier. Aus heutiger Sicht äußert er, „ich hab mir das zu bequem gemacht.“

Zwei Lehrerinnen von Geschwistern der Zwillinge, die gestern ebenfalls als Zeuginnen vernommen wurden, berichten, daß diese Kinder in keiner Weise einen vernachlässigten Eindruck machten und die Angeklagten im Gegensatz zu anderen Paaren interessiert an allen Elternabenden teilnahmen. Dabei fiel auf, daß die Mutter in ihrem „einfachen Denken“ wahrscheinlich etwas überfordert war. Aber wenn man ihr einen Ratschlag gab, habe sie ihn sofort befolgt.

Sie, die Mutter, die mit der Pflege ihrer sechs Wunschkinder ganz sicher damals überfordert war, wurde bereits als achtjährige zur Sonderschule geschickt. Die einzigen Worte, die sie damals sprechen konnte, lauteten: Mama und Papa. Christine Bauer