Arbeitgeber contra Kinderbetreuung

Querelen in der  ■ City Nord

/ Firmen wollen nicht mehr für Betriebskindergarten zahlen

Das Verfassungsgericht legte den neuen Abtreibungsparagraph 218 zwar auf Eis, doch das damit zusammenhängende Sozialpaket durfte vergangene Woche in Kraft treten. Seitdem läuft der hamburgische Behördenapparat heiß, um unter lautem Wehgeschrei zu prüfen, wie der Knackpunkt des Maßnahmenbündels zu bewältigen sei: Bis 1996 müssen die Bundesländer für jedes Kind zwischen drei und sechs Jahren einen Kindergartenplatz schaffen. Nicht genug, daß nun im Stadtsäckel nach Geld dafür gekramt wird. Jetzt konfrontieren Arbeitgeber die Jugendbehörde mit Rückzugsgefechten in Sachen Betriebskindergarten.

So geschehen am Dienstag abend während der Sitzung einer Arbeitsgemeinschaft in der City Nord. In dem Gremium beraten schon seit Monaten Betriebsräte und Personalabteilungen der in dem Trabantenstadtteil ansässigen Firmen über die Einrichtung einer gemeinsamen Kindertagesstätte mit bis zu 150 Plätzen. Nachdem ein Gutachten die Machbarkeit des Vorhabens bestätigte, sollte nun die konkrete Planung eingeläutet werden. Doch vorgestern stellten dann Vertreter der Personalabteilungen einiger Firmen, darunter die Hamburg-Mannheimer Versicherung, ihren Rückzug in Aussicht. Der Grund: Das Land Hamburg sei ja nun verpflichtet, Plätze bereitszustellen, da bräuchten die Unternehmen nicht mehr freiwillig zahlen. Defintiv sei der Ausstieg nicht, erklärte gestern Bettina Struck von der Hamburg- Mannheimer auf Anfrage, es müsse erst mit dem Betriebsrat gesprochen werden. Es seien nur Tendenzaussagen getroffen worden.

Wütend reagierte der Hamburger DAG-Chef Uwe Grund auf die Querelen. Offensichtlich müsse das Sozialpaket als Alibi dafür herhalten, den einzigartigen Modellversuch in der City Nord einschlafen zu lassen. „Insgeheim haben wir solche Reaktionen schon befürchtet“, kommentierte Jürgen Näther vom Amt für Jugend die Misere. Doch gerechtfertigt sei die Argumentationslinie der Arbeitgeber nicht. Denn der Rechtsanspruch bestehe nur für Halbtagskindergartenplätze, womit berufstätigen Eltern wenig geholfen sei. Zudem sind Kinder bis zu drei Jahren und Schulkinder davon ausgenommen. Auch für sie bestehe aber ein Bedarf an Betreuungsplätzen. Insgesamt fehlen in Hamburg circa 20000 Kinderbetreuungsplätze. Sigrun Nickel