»Die Route ist uns noch nicht ganz klar«

■ Eine alternative Stadtrundfahrt zu den Stätten der Revolution von 1989: Im Plastebus mit Batterieschaden kommt das echte DDR-Gefühl auf/ Die Stadtführer vom »Museum der Verbotenen Kunst« ersetzen Sachkenntnis durch Improvisation

Berlin. Sanft wellt sich das Resopalparkett unter den Füßen, die bräunlichen Plastesitze kleben. Das DDR- Flair des kobaltblauen Robur-Busses, Baujahr 72, ist perfekt. Keine Frage: Eine »Stadtrundfahrt zu den Stätten der Revolution« könnte man in gar keinem anderen Gefährt unternehmen. Allerdings springt die Reliquie nicht an. »Verdammt, wir hatten noch nie 'ne Panne«, behauptet Daniel. Er und Jan, beide 23 Jahre alt, gehören zu den fünf Gründern des »Museums der Verbotenen Kunst«, die sich diese alternative Stadtrundfahrt ausgedacht haben.

Nach einer Stunde ist der Batterieschaden behoben, aber »die Route ist uns noch nicht ganz klar«, meint Daniel. Schließlich sei diese Tour erst die vierte. Aber endlich geht es doch los — der Bus verläßt den Checkpoint Charlie. Die Informationen, die Daniel ohne Mikrophon durch den Bus schreit, sind von überraschender Lakonie. »Das hier ist der Palast der Republik, das das Außenministerium, hier war der Staatsrat drin. Also, hier war die ganze Macht konzentriert.« In der ersten Reihe schüttelt eine Münchner Geschichtslehrerin verwundert den Kopf. Auch im Politik- Leistungskurs aus dem Oldenburgischen, der die übrigen Sitze füllt, gibt es Gekicher. Aber Jan und Daniel erzählen auch Sachen, die sonst keiner weiß: zum Beispiel, daß im Republikpalast einst eine Million Glühbirnen für Helligkeit sorgten.

An der russischen Botschaft vorbei geht es zur Humboldt-Universität. »Wer hier studieren wollte, mußte staatskonform sein. Die Jungs hier waren bei der Revolution auch eher passiv«, erläutert Jan. In der Chausseestraße, wo Biermann vor seiner Zwangsausbürgerung lebte, und vor der Zionskirche in Prenzlauer Berg werden die Führer gesprächiger. Sie erzählen von den Anfängen des Widerstands. Jan und Daniel sind beide aus dem Ostteil. »Wir haben uns nicht in der Opposition engagiert — aber ich habe Musik gemacht und nicht gearbeitet, damit war ich automatisch Staatsgegner«, meint Daniel und zeigt aus dem Fenster: »Hier in der Fehrbelliner Straße wohnt Bärbel Bohley.«

Zwischenstopp in der Normannenstraße: Im Innenhof des ehemaligen Hauptquartiers der Staatssicherheit vertritt sich die Gruppe wohlig schaudernd die Füße, Auge in Auge mit der Stasi-Krake. Nachher streikt wieder einmal die Batterie, aber alle helfen beim Anschieben. Zum Dank gibt die Crew Cola und Zigaretten aus. Die Gäste wissen die Atmosphäre zu schätzen. »Es ist viel lockerer als normale Stadtrundfahrten, und wenn die noch ein bißchen üben, dann wird das schon«, meint Hans- Jürgen aus dem Politik-Leistungskurs. »Etwas oberflächlich, aber lustig«, stimmt sein Lehrer Heinz-Joseph Thöle zu.

Endstation ist das »Museum der Verbotenen Kunst«, der letzte original erhaltene Wachturm der Berliner Mauer in der Treptower Puschkinallee. »Die DDR-Grenztruppen haben ihn uns im Frühjahr 1990 geschenkt«, sagt Jan. »Danach wollte ihn das Bezirksamt schon dreimal abreißen.« Jetzt haben die Betreiber einen Mietvertrag. Im Moment zeigt das Museum eine Ausstellung von Schwarzweißfotos des Todesstreifens zwischen Oberbaumbrücke und Reichstag, die DDR-Grenztruppen 1987 aufgenommen haben.

Die unprofessionelle, aber amüsante Tour kostet zwanzig Mark. Und eines wissen die Veranstalter genau: »Wir können eigentlich nur besser werden.« Miriam Hoffmeyer

Buchung über Telefon: 8529203