Verkungelt, verkannt und versiebt!

Es wird gepatzt und geschnitzt: Die Wirtschaft ist ein Fernseh-Stiefkind  ■ Von Henrich von Nussbaum

Ein eklantanter Schnitzer lief im neuerdings als „Moma“ angebiederten gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF in der letzten Woche über die Bildschirme. Einer der größten deutschen Konzerne, der nicht nur im Energiebereich Marktführer ist — auf einer Anzeigetafel in der abschließenden Wirtschaftsecke wurde er bis zur Unkenntlichkeit entstellt: zu FEBA statt VEBA.

Beckmesserei, das aufzuspießen? Pardon: nicht daß beim Stecken der Buchstaben einer Hilfskraft vermutlich ein Schreibfehler unterläuft, ist der Kritikpunkt, aber daß ihn niemand bemerkte. Auch der allzeit dämonisch lächelnde Wirtschaftspublizist nicht, den man eigens als Experten angeheuert hat.

Der Verdacht: dieser Patzer ist ein Indikator. Wirtschaftsberichtserstattung ist nach wie vor Stiefkind aller öffentlich-rechtlichen Programme. Und das in einer Phase, in der die Ökonomie wieder einmal in besonderem Maße das Schicksal der Nation ist.

Die meisten verwechseln Gesinnungsdeklamation mit Information; den anderen gilt Ökonomie ohnehin als Beelzebub und Antikultur. Gesellschafts- und Wirtschaftskritiker Marx würde vermutlich erbarmungslos kleinbürgerliche Einstellung diagnostizieren: Produktionsferne Angestellte leisten sich großmäulig Gratismoral. Es kostet sie ja nichts... Aber besagen nicht Pressemitteilungen, der Hauptabteilungsleiter des ZDF habe im Frühjahr einen, nein, den maßgeblichen (Quandt-) Preis für Wirtschaftspublizistik erhalten? Für die ZDF-Berichterstattung über die ökonomische Lage im anderen Deutschland, wurde vermeldet. Ausgerechnet. Doch zu beobachten war anderes: ein ständiges Verwechseln von Wunschdenken und Wirtschaftslogik, von Ökonomie und Soziologie durchzog den gesamten Vereinigungsprozeß. Der Appell wider das Kriegsgewinnlertum in West. Lobenswert und notwendig, oft in Live-Versammlungen vor Ort, versäumte das ganze lange Jahr lang, den Betroffenen Lektionen in ökonomischer Grundlogik zu erteilen.

Statt dessen gab es Wunschlisten in Hülle und Fülle: Der Westen soll investieren, aber nicht rationalisieren. Die Löhne Ost müssen schleunigst hoch auf Westniveau. Preise und Mieten aber unten bleiben. Die Überzähligen müssen aufgefangen werden — durch Arbeitsplatzbeschaffung genannte Subventionen. Diese Gesundbeterei ist ein Politikum ersten Ranges: Man kann sich nicht länger auf die Irrtümer des Bundeskanzlers herausreden — wie immer man zu ihm steht...

Die allgemeine Publizistik spielt mit. Sie tat nichts und tut kaum etwas, den öffentlichen Widersprüchen gegen die allgemeine Ignoranz Gehör verschaffen: des Bonner Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft etwa, wahrlich nicht regierungsfeindlich.

Es schätzte in einem frühen Gutachten die Kosten und Folgen der Vereinigung durchaus realistisch ein. Und insistierte: Politik muß Prioritäten setzen. Investition muß sich rechnen, braucht Anreiz; Subvention produziert meist bloß die Fußkranken von morgen. Prüfstein Treuhand: was immer da verkungelt, verkannt und versiebt wurde, die Gewerkschaften waren beteiligt am Entscheidungsprozeß, die Protokolle weisen es aus. Das läßt die ausgiebig gezeigten Konfrontationen vor den Toren von Werften und anderen Unternehmen in anderem Licht erscheinen.

Alle Daten und Kommentare besagen derzeit, daß die Umstellung des realen Sozialismus auf freie Marktwirtschaft hinkt. Weil die Produktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland vielfach unter dem Standard der Industriestaaten liegt. Das müssen selbst die inzwischen knirschend eingestehen, die den Lohnforderungen der Gewerkschaften in der Tarifrunde des Frühjahrs rückhaltlos zujubelten.

Wohlstand für jederman/frau: Man ist doch Mensch. Sozial gesonnen. Human. Ja doch. Gesellschaftliche Verantwortung heißt derzeit vor allem: wider den Stachel löcken, unliebsame Wahrheiten der Verdrängung entreißen.