Arbeiter in Lueben streiken weiter

In Polens Kupferkombinat Lueben rächen sich die Versäumnisse der eingeleiteten Wirtschaftsreformen  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Das Kupferkombinat in Lueben wird bereits in der dritten Woche bestreikt, und wenig deutet darauf hin, daß der Ausstand seinem Ende zugeht. Neben monatlichen Lohnerhöhungen von durchschnittlich 900.000 Zloty (rund 100 Mark) und einer einmaligen Zahlungen von zwei Millionen Zloty fordern die Streikenden auch die Abberufung des Aufsichtsrats, dessen Vorsitzender den Streikenden mit Aussperrung gedroht hatte. Der Aufsichtsrat wurde inzwischen für die Dauer des Streiks in Urlaub geschickt — und zwar durch das Privatisierungsministerium, das das Gremium besetzt.

Der Streik in Lueben trifft Polen an einer heiklen Stelle. Das Kombinat, das insgesamt aus fünf Gruben, zwei Hütten, einer Walzfabrik und mehreren Kabelfabriken besteht, galt zu kommunistischen Zeiten als Musterbetrieb, der dem Land einen Großteil seiner Devisen einbrachte. Das Kombinat ist an der Londoner Edelmetallbörse notiert, die polnische Presse bringt den Streik auch bereits mit einem Ansteigen der Kupferpreise dort in Verbindung.

Der Streik bringt aber vor allem die polnischen Abnehmer in schwere Bedrängnis. Für Kabelfabriken und andere weiterverarbeitende Branchen ist das Kombinat der einzige Zulieferer. Sollten andere polnischen Betriebe in ernste Schwierigkeiten kommen, hat die Regierung bereits angekündigt, notfalls den 15prozentigen Einfuhrzoll auf Kupfer auszusetzen. Damit will das Kabinett aber zugleich Druck auf die Streikenden ausüben.

Die Probleme des Kombinats in Lueben sind ein Musterbeispiel für den Preis, den verschleppte Reformen haben können. In den letzten Jahren ist der Gewinn des Betriebs nach und nach gefallen. Der Grund: ein drastischer Kostenanstieg bei gleichzeitigen leichten Preisverfällen auf dem Weltmarkt. Trotzdem erfreuen sich polnische Kabel im Ausland großer Nachfrage — der Preis hat in jüngster Zeit wegen des Ausfalls Jugoslawiens, eines der größten Kupferförderländer, wieder angezogen. Die Kostensteigerungen in Lueben gehen allerdings nicht auf Lohnzuwächse zurück — deren Anteil an den Produktionskosten ist eher gesunken. Zudem hat die Lohnzuwachssteuer bisher Lohnsteigerungen über der Inflationsrate verhindert. Sie sieht für jeden Zloty, um den die Vorgabe überschritten wird, eine Strafsteuer von bis zu 500 Prozent vor.

Die Kosten liefen vor allem durch die Streichungen der Energiesubventionen davon. Einsparen ließ sich dagegen wenig; nach wie vor gehören billige, vom Kombinat subventionierte Sozialeinrichtungen und Werkswohnungen zur Firma, die bisher nicht privatisiert oder ausgegliedert wurden. Zugleich schmolz der Bruttogewinn von 700 Millionen US-Dollar (1990) im letzten Jahr auf 300 Millionen zusammen, weil sich die Abgaben an den Staat drastisch erhöhten. Der Streik ist daher auch ein Protest gegen den staatlichen Fiskalismus. Trotzdem lassen sich die geforderten Lohnerhöhungen auch dann nicht aus dem Betriebsgewinn bezahlen, wenn der Staat auf seinen Teil am Bruttogewinn verzichten würde, was er nach derzeitiger Rechtslage gar nicht kann. Der Gewinn für das laufende Jahr wird ohnehin nur auf 90 Millionen Dollar geschätzt.

Nach der Konzeption des bisherigen Aufsichtsrats soll das Kombinat in eine Holding verwandelt werden, um eine klare Kostenrechnung zu ermöglichen. In einer ersten Stufe wurde die Firma bereits in eine Aktiengesellschaft verwandelt, deren Aktien später möglicherweise auch an der Londoner Wertpapierbörse gehandelt werden sollen. Die Umstrukturierung wird dabei zwangsläufig eine Ausgliederung und Kommerzialisierung der Sozialbereiche und Werkswohnungen mit sich ziehen. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Andrzej Machalski, ist darüber hinaus der Ansicht, daß zur Aufrechterhaltung der Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt rund die Hälfte der 38.000 Arbeitskräfte entlassen werden müßten.