PORTRÄT
: Ein Herz für Flüchtlinge

■ Gerhard Groß wird Asyl-Präsident in Bayerisch-Zirndorf

Nürnberg (taz) — Seit gestern hat das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge im bayerischen Zirndorf einen neuen Chef. Keiner kennt ihn, aber der neue Mann bringt gute Voraussetzungen für sein Amt mit; es gilt im allgemeinen als „sehr schwer“. Gerhard Groß ist 62 Jahre alt — also umstandslos schnell wieder auszuwechseln — und Unterabteilungsleiter für Kommunalangelegenheiten und Statistik im Bonner Innenministerium. Seine Erfahrung mit Zahlenarithmetik wird er gebrauchen können angesichts 350.000 anhängiger unerledigter Fälle, angesichts 2.200 zwar genehmigter, aber bis dato unbesetzter Stellen und angesichts eines seit 1.Juli geltenden Asylbeschleunigungsgesetzes — das nach Auffassung von Asylrechts-Experten diesen Namen nicht verdient.

Aus diesem Grund hatte Groß' Vorgänger Norbert von Nieding (FDP) nach zehn Jahren Zirndorf seinen hochdotierten Posten geschmissen. Von Nieding hatte das Gesetz heftig kritisiert. Seiner Meinung nach, begründete er seine Demission, steht der „enorme Aufwand“, den das Gesetz vorschreibt, in keinem Verhältnis zu seinem Nutzen: „Die Abwicklung von 70 Prozent der Asylfälle dauert genauso lange wie bisher.“ Außerdem habe man das Asylbeschleunigungsgesetz in der Öffentlichkeit in seinen Auswirkungen falsch dargestellt.

Von Niedings Nachfolger sieht sich mit einem katastrophalen Personalnotstand konfrontiert. Vom Haushaltsausschuß des Bundestags war zwar eine Aufstockung der Zirndorfer Behörde von 1.300 auf 3.600 Stellen genehmigt worden. Doch der Juristenmarkt ist leergefegt, Bewerber mit Vorkenntnissen in ausländerrechtlichen Fragen sind Mangelware. Nur hundert neue Stellen konnten bislang besetzt werden.

„Mich erwartet eine schwierige Aufgabe“, gestand denn auch Groß kurz vor der Amtsübernahme. Seinem Chef, Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU), wird der Sozialdemokrat Groß wohl nicht nur Annehmlichkeiten bereiten. Er wolle nicht „hartherzig den Stab über Wirtschaftsflüchtlinge brechen, denn auch Not, Hunger und Armut sind Verfolger“, kündigte Groß an. Starker Tobak für Seiters' Ohren. Bernd Siegler