Kassenlorbeer für Minister Seehofer

Kabinett beschließt Gesundheitsreform/ Ärztekammerpräsident Vilmar schließt Streiks nicht aus  ■ Aus Bonn C. C. Malzahn

Das Bundeskabinett hat gestern den Gesetzentwürfen für eine Gesundheitsstrukturreform zugestimmt. Das von Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) forcierte Sparpaket war in den vergangenen Wochen vor allem von der Ärzteschaft stark kritisiert worden. Im Rheinland hatten die Zahnärzte gegen die Pläne gestreikt. Der Präsident der Ärtekammer, Karsten Vilmar, reagierte auf den einstimmigen Beschluß des Kabinetts mit weiteren Streikdrohungen. Seehofer wolle offenbar eine „Gesundheitsdiktatur“ errichten, erklärte Vilmar in einem Interview.

Seehofer will mit seinem Reformpaket ab 1993 jährlich 11,4 Milliarden Mark einsparen. Rund 8,2 Milliarden Mark entfallen dabei auf Ärzte, Krankenhäuser, die Pharmawirtschaft und Apotheken. Die Patienten sollen 3,2 Milliarden Mark beisteuern, indem sie zehn Prozent für alle Medikamente zuzahlen. Außerdem sollen sie sich bei einem Krankenhausaufenthalt mit elf Mark in Westdeutschland und acht Mark in Ostdeutschland an den Verpflegungskosten beteiligen.

Die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) hat die Verabschiedung des Strukturgesetzes gestern begrüßt. Der Vorstandsvorsitzende der AOK, Gert Nachtigal, erklärte, Seehofer habe Rückgrat gezeigt und für die Versicherten wirksame Einsparungen durchgesetzt. Seehofer bekräftigte in Bonn, er sei nach wie vor bereit, mit den Vertretungen der Ärzteschaft über Änderungen zu diskutieren, sofern sie das Sparziel nicht gefährdeten.

Ein Teil der Reform muß den Bundesrat passieren, dabei ist das Kabinett auf die Zustimmung der SPD angewiesen. Zu einer einheitlichen Bewertung der Seehofer-Politik konnten sich die Genossen bisher aber nicht durchringen. Die SPD-Politiker Klaus Kirschner und Rudolf Dreßler kündigten an, daß es „keine Stimme der SPD für eine abermalige Ausweitung der Selbstbeteiligung der Patienten“ geben werde. Der Geschäftsführer der SPD, Karlheinz Blessing, hat die Politik des Gesundheitsministers hingegen begrüßt. Er forderte Seehofer auf, streikenden Ärzten künftig die Zulassung zu entziehen. Ärztestreiks seien eine illegale Aktion. Auch die brandenburgische Gesundheitsministerin Regine Hildebrandt (SPD) bescheinigte Seehofer, sein Konzept enthalte viele gute Ansätze. Eine weitere finanzielle Belastung der Patienten lehnte sie allerdings ab.

Seehofer kündigte schon gestern eine weitere Gesundheitsreform noch vor dem Jahr 2000 an: Als nächstes werde man sich eingehend mit den Krankenkassenbeiträgen beschäftigen müssen.