Repatriierung der Flüchtlinge gefährdet

■ Trotz der Kämpfe kehren derzeit täglich Tausende Flüchtlinge aus Pakistan zurück und überfordern das UNHCR

Trotz der anhaltenden Kämpfe kehren täglich Tausende afghanische Flüchtlinge aus Pakistan in ihre Heimat zurück. Das überraschende Ausmaß der Rückwanderung überfordert das UNHCR, die Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen. Denn im Moment des höchsten Bedarfs bleibt die Finanzhilfe der reichen Länder aus. Zwischen zehn- und 15.000 afghanische Flüchtlinge überqueren derzeit täglich die Grenze zwischen Pakistan und Afghanistan, berichtet der UNHCR- Mitarbeiter Renobi Wanrooy nach einem Aufenthalt in der Region. Allein im Juni dürften sich eine Million Flüchtlinge in Bewegung gesetzt haben. „Niemand von uns hat erwartet, daß eine so große Zahl so schnell zurückkehren wird“, erläutert Wanrooy. „Das wird das umfangreichste Repatriierungsprogramm in der Geschichte des UNHCR.“

Aber nur wenn das nötige Geld dafür bereitgestellt wird. Danach sieht es jedoch derzeit nicht aus. Vor allem Japan, Großbritannien, die USA, Schweden und Kanada haben das UNHCR-Programm zur Repatriierung der rund fünf Millionen afghanischen Flüchtlinge im Iran und in Pakistan am stärksten unterstützt. „Jetzt, wo wir einen Engpaß haben, scheint der Geldfluß zu versiegen. Das ist unser größtes Problem“, klagt ein UNO-Beamter. Seit Juni 1990 versucht das UNHCR, afghanische Flüchtlinge mit Bargeld und Nahrungsmitteln zur Rückkehr in ihre Heimat zu bewegen, die sie während des blutigen Kriegs zwischen den muslimischen Rebellengruppen und der von sowjetischen Truppen unterstützten Regierungsarmee verlassen hatten.

Gegen die Rückgabe der in den Lagern ausgegebenen Lebensmittelkarten erhält jede Familie umgerechnet 130 US-Dollar für Transportkosten sowie 300 Kilo Weizen, um die ersten Monate zu überbrücken. Während von Juli bis einschließlich Dezember 1990 nur 13.000 Familien von dem Angebot Gebrauch machten, waren es allein im vergangenen Juli 146.000. In den letzten sieben Monaten gab das UNHCR dafür insgesamt 20 Millionen US-Dollar aus, und derzeit kommt jede Woche eine weitere Million dazu. „Das Geld reicht nur noch bis zum Ende der Woche“, warnt Wanrooy.

Die versiegende Hilfsbereitschaft der Industrieländer hänge zusammen mit den Flüchtlingstragödien im ehemaligen Jugoslawien oder in Somalia, meinen die einen. Andere machen dafür auch die sinkende strategische Bedeutung Afghanistans für den Westen veranwortlich. „Nachdem die Bedrohung durch die Sowjetunion nicht mehr existiert“, versichert ein pakistanischer Regierungsvertreter, „haben Afghanistan und die Mudschaheddin den Stellenwert verloren, den sie früher bei den Westmächten genossen. Das ist eine politische Realität, an die sich die Afghanen erst gewöhnen müssen.“

Auch die meisten Rückkehrer versuchen in erster Linie, sich ein Bild von der aktuellen Situation in Afghanistan zu machen, während zahlreiche Familienangehörige noch in Pakistan bleiben. Sie wollen erst nachkommen, wenn ihre im Bürgerkrieg zerstörten Häuser wieder aufgebaut sind und ein Überleben gesichert scheint. Die umkämpften Gebiete wie die Hauptstadt Kabul werden zwar vermieden. Trotzdem gibt es auch unter den Rückkehrern noch Tote und Verletzte. Sie werden zum Opfer der Minenfelder, eine gefährliche Hinterlassenschaft der sowjetischen Besatzungsarmee. UNO-Experten sind dabei, die Minenfelder zu räumen, doch die Arbeit kommt nicht rasch genug voran.

Wenn der Exodus aus Pakistan so weitergeht, dürfte die Mehrheit der Flüchtlinge bereits „im nächsten Frühjahr“ wieder in Afghanistan sein, schätzt Wanrooy. Eine nicht geringe Zahl wird aber wohl in ihrer neuen Heimat im Nordwesten Pakistans bleiben, wo — wie in den angrenzenden Gebieten Afghanistans— mehrheitlich Pathanen leben. Syed Fahd Husain (IPS)