"Ein neues Gesicht, bitte"

■ Hamburger Sport Verein: Elf Neuzugänge sollen dem Verein wieder zu alter Größe verhelfen / Premiere Sonnabend gegen Stuttgart (15.30 Uhr)

: Elf Neuzugänge sollen dem Verein wieder zu alter Größe verhelfen/ Premiere Sonnabend gegen Stuttgart (15.30 Uhr)

Einer alternden Diva gleich, wollte sich der Hamburger Sport Verein für die nächste Saison ein neues Gesicht verpassen lassen. Das alte erschien den Verantwortlichen des vormaligen Hamburger Rennomiervereins, nicht nur angesichts der verkorksten vergangenen Saison, als nicht mehr repräsentativ genug. Schließlich ist der HSV nicht irgendwer. Es war der Verein von der Rothenbaumchaussee, nicht der FC Bayern aus München, der als letzter einheimischer Verein die Krone des europäischen Vereinsfußballs, die Trophäe der Gewinner des europaweiten Landesmeisterwettbewerbs, zierte. Das war 1983. Lang lang ist's her.

Heute indes plagen den HSV ganz andere Sorgen. Die Zeiten, da man Schönheitsoperationen noch bei erstklassigen Adressen von internationalen Spitzenkräften ausführen lassen konnte, sind vergan-

1gen. Ein Anflug früherer Größe lag zwar teilweise schon im Vorbereitungsprogramm der Hanseaten. Spiele gegen den SSC Neapel oder Boavista Porto, also Größen des heutigen Ballsportbusiness, gingen allerdings verloren. Nur in ihrer norddeutschen Heimat konnten die von Egon Coordes betreuten Kicker gegen unterklassige Mannschaften gewinnen.

Die Operation indes war scheinbar nicht der herbeigesehnte Erfolg. Überall sind noch Macken und Michael-Jackson-gleich Operationsnarben zu erkennen. Die Abwehr, einst das Schmuckstück im Antlitz des Fußballvereins, scheint durch die Wegnahme Dietmar Beiersdorfers entstellt zu sein. Der Bulgare Pavel Dotchev ist kein passender Ersatz für den zu Werder Bremen transferierten einmaligen Nationalspieler, und auch der von Egon Coordes geköderte Ex-Bayer Mar-

1cus Babbel verschönt nichts.

Im Mittelpart sollte durch Michael Spies etwas mehr Ausdruck in das bisher ausdrucksarme Gesicht der Hamburger gezaubert werden. Eine Operation die ebenfalls keine Verschönerung mit sich brachte. Die Mimik des Spiels wird immer noch durch Kraftfußballer wie Waldemar Matysik bestimmt. Der Spielaufbau von Kämpfertypen wie Frank Rhode erledigt.

Einige Leute rennen wegen ihrer unglaublichen Nase zum Schönheitschirugen, andere fluchen über ihre Segelohren. Beim Hamburger Sport Verein war es der Angriff, der nach Meinung der Vereins- Oberen die ganze Sache verunstaltete. Hier wurde dann auch geklotzt. Zuerst sollte Uwe Rahn, ehemaliger Bundesligaschützenkönig her. Alles schien schon klar zu sein, aber schließlich mischte sich der Mann für Stilfragen, der rotbeblazerte Präsident Jürgen Hunke, ein. Nein, so viel Geld wolle er für eine so unattraktive Verschönerung nicht abdrücken. Es wurde günstig in den neuen Bundesländern und in Bulgarien eingekauft. Florian Weichert und Yordan Lechkov sollen das Antlitz ebnen.

Morgen gegen den ebenfalls leicht verschönten Deutschen Meister (mit Ex-St. Pauli-Star Goool

ke) VfB Stuttgart (15.30 Uhr, Volksparkstadion) wird sich zeigen, ob sich der HSV mit diesem Gesicht in der ersten Liga sehen lassen kann. Die Ziele sind jedenfalls bescheidener geworden. Sprach Präsident Hunke in der vergangenen Saison, als der HSV bereits am Abgrund stand, noch über einen UEFA-Cup-Platz, begehren diese Saison die Oberen einen einstelligen Tabellenplatz. Einer jenseits von Gut und Böse im Fußballgeschäft. Denn: Mit dem Abstieg möchte dieser Verein nichts mehr zu tun haben. In dem Falle würden auch die Wolkenkuckucksheime von Herrn Hunke endgültig den Bach runtergehen. Die Zweiteilung des Gesamtvereins niemanden mehr interessieren und auch das Revival der Aktien wäre dann obsolet.

Kai Rehländer