Raketen auf Kabuls Bazar

■ Hundert Menschen starben/ UNO fordert Feuerpause

Kabul/Berlin (AFP/AP/taz) — Die Kämpfe zwischen den paschtunischen Milizionären von Gulbuddin Hekmatyar und der Koalition aus afghanischen Regierungstruppen und General Dostams usbekischen Milizen um die Macht in der afghanischen Hauptstadt Kabul sind mit unverminderter Härte weitergegangen. Gestern in aller Frühe wurde der Bazar im Zentrum der Stadt von fünf Raketen getroffen. Nach Schätzungen des Verteidigungsministeriums sind allein bei diesem Angriff bis zu hundert Menschen getötet worden. Augenzeugen berichteten, sie hätten in den Trümmern Dutzende von Toten gesehen. Im Verteidigungsministerium macht man die Milizen des radikalen Paschtunenführers Hekmatyar für den Angriff verantwortlich.

Noch am Mittwoch hatte die afghanische Übergangsregierung unter Präsident Rabbani behauptet, Hekmatyars Milizen vertrieben zu haben. Die Luftwaffe bombardierte am gleichen Tag Stellungen Hekmatyars im Osten der Stadt. Der islamistische Paschtunenführer macht unter anderem den Abzug der Usbekenmilizen von General Dostam aus Kabul zur Bedingung einer Einstellung der Angriffe. Außerdem verlangt er die Kündigung aller Regierungsangestellten, die für die im März gestürzte, von Moskau unterstützte Regierung unter Nadschibullah gearbeitet haben. Dostam wiederum erklärte, er werde seine Truppen sofort abziehen, wenn Präsident Rabbani, dies verlange.

Rabbani hat aber nach seiner Machtübernahme einen Teil der Kämpfer von Dostam in die neue afghanische Armee eingegliedert und ist weiterhin dringend auf Dostams Unterstützung angewiesen. Dostam war im März mit seinen Truppen von Nadschibullah zu den Mudschahedin übergelaufen und hatte damit entscheidend zum Sturz des alten Regimes beigetragen.

Das Außenministerium in Moskau berichtete gestern, auch die russische Botschaft in Kabul sei angegriffen worden. Dabei wurde ein Angestellter getötet und zwei verwundet. Nach einer auf Verlangen von Moskau einberufenen Dringlichkeitssitzung hat der UN-Sicherheitsrat in der Nacht zum Donnerstag alle Beteiligten zu einer sofortigen Feuerpause aufgefordert, um wenigstens die Mitarbeiter der Kabuler Botschaften evakuieren zu können. Moskau will umgehend mit der Evakuierung seiner rund hundert Botschaftsangestellten aus Kabul beginnen. N.C.