Privatisierungsrunde mit Ursus-Bier

In Rumänien werden heute die ersten Aktien für die Brauerei in Cluj ausgegeben/ Erfolg scheint garantiert  ■ Aus Cluj Keno Verseck

Rumänisches Bier zu trinken, ist eine Notlösung — zumindest für die, die auf den Genuß des Gerstensafts nicht verzichten können. Doch wer sich einmal daran gewöhnt hat, lernt die Nuancen des schlechten Geschmacks schätzen. Als besonders berüchtigt gilt das Bier aus der Stadt Braila. Die Sorte aus Iasi (Jassy) reizt den Gaumen mit einem faden, seifigen Aroma. Auch das Markenbier Ursus aus Cluj (Klaussenburg) schmeckt oft schal, hebt sich aber von der Masse der Gebräue durch mehr Würze positiv ab. Eines haben aber alle rumänischen Biersorten gemeinsam: Sie sind meistens ausverkauft.

Nicht zuletzt diese Tatsache hat die Nationale Privatisierungsagentur (ANP) dazu bewogen, die traditonsreiche Brauerei Ursus zum Flaggschiff der rumänischen Privatisierungspläne zu machen. Das Unternehmen setzte im ersten Halbjahr 1992 etwa eine Milliarde Lei um; der Reingewinn belief sich auf rund zehn Prozent des Umsatzes. Im Rahmen des ersten Modell-Privatisierungsprogrammes, das 23 profitable Unternehmen einschließt, ist Ursus der erste staatliche Großbetrieb, der in den nächsten Monaten in private Hände überführt wird. Im Juli bekamen die Rumänen Gelegenheit, insgesamt 51 Prozent der Ursus-Aktien zu kaufen. Heute nun wird mit der Verteilung der Aktien begonnen. Sie dauert bis zum 31.August. Danach sollen in der zweiten Privatisierungsphase für die restlichen 49 Prozent der Aktien ausländische Investoren gesucht werden.

Die Aussichten sind nicht schlecht: Für Bier gibt es riesige Angebotsdefizite auf dem Markt, an der auch das teure Importbier nichts ändern kann. Das gibt es zwar immer zu kaufen, aber die Mehrheit der Bevölkerung kann es sich nicht leisten. So zählen die rumänischen Brauereien trotz der niedrigen Produktqualität noch immer zu den profitablen Unternehmen des Landes.

Adrian Mutuleac, Direktor der Rumänischen Entwicklungsbank (BRD) im Kreis Cluj, die den Aktien- Verkauf an die Bevölkerung organisiert hat, nennt einen weiteren Grund, warum gerade Ursus als erste Firma zur Privatisierung ausgewählt wurde. Neben der verhältnismäßig hohen Produktivität des Unternehmens und der starken Nachfrage nach Bier sei vor allem aussschlaggebend gewesen, daß Ursus relativ wenig Zeit zur Modernisierung brauche.

Mutuleac bestätigt damit indirekt, daß die ANP bei ihrem ersten Privatisierungsanlauf einen sicheren Erfolg garantiert haben will. Ginge es bei der Privatisierung allerdings lediglich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, würden sich die rumänische Unternehmensdirektoren und Privatisierungsverantwortlichen lieber auf ausländische Investoren und zahlungskräftige einheimische Großkäufer verlassen. Mit dem Verkauf von 51 Prozent der Aktien an die Bevölkerung, ökonomisch gesehen nicht unumstritten, glaubt die ANP einen gangbaren Weg zwischen der Notwendigkeit einer schnellen Privatisierung und den weit verbreiteten Ressentiments gegenüber des Staatsbesitzes in Privateigentum gefunden zu haben.

Die erste Aktien- gesellschaft in Rumänien

Für Ursus hat sich der Aufwand, mit dem die ANP um ihr erstes Großprojekt warb, bereits gelohnt. Von den 88.900 Stamm- und 40.000 Zusatzaktien mit einem Nennwert von 1.000 Lei (rund vier Mark) wurden bis Ende Juli rund 102.000 Aktien zum Preis von je 2.500 Lei an 8.000 Privatpersonen und 300 Unternehmen verkauft. Der Preis für eine Aktie entspricht rund einem Fünftel eines monatlichen Durchschnittseinkommens. Die 472 Ursus-Beschäftigten konnten dabei zehn Prozent der Stammaktien mit einem Rabatt von zehn Prozent kaufen. Anfang August unterbreitete die private Dacia-Felix-Bank (BDF) ein Angebot, 8.000 Aktien zu erwerben, für den Rest ist die Ion-Tiriac-Bank (BI) im Gespräch.

Ursus-Generaldirektor Octavian Buzoianu, der im Vergleich zu vielen rumänischen Betriebsdirektoren ungewöhnlich professionell wirkt, ist mit dem bislang Erreichten durchaus zufrieden. „Jetzt müssen wir mit der Modernisierung des Werkes zeigen, daß wir auf einem guten Weg sind. Wir sind die erste wirkliche Aktiengesellschaft in Rumänien. Alle die uns folgen, werden ihre Augen auf uns richten.“ Buzoianu hofft, daß Ursus schnell ausländische Investoren findet, die die restlichen 49 Prozent der Aktien kaufen. Angebote haben bereits eine deutsche und zwei englische Firmen vorgelegt. Buzoiani möchte keine Namen nennen; konkrete Gespräche hätten noch nicht stattgefunden.

Auch Laszlo Janosi aus der technischen Abteilung weiß, daß Ursus dringend ausländische Investoren braucht. „Unsere Anlagen sind alt und laufen langsam, aber sie sind verläßlich. Wir wollen zwar aus eigener Kraft mit der Modernisierung beginnen, aber alle Pläne können wir allein nicht verwirklichen.“ Ursus möchte möglichst schon im nächsten Jahr die Kapazität von derzeit 450.000 auf 600.000 Hektoliter erhöhen und außerdem die Qualität des Bieres verbessern.

Noch herrscht bei den Bierbrauern Optimismus über eine Zusammenarbeit mit ausländischen Investoren. Daß diese nicht die Aktienmehrheit erwerben dürfen — eine Vorschrift, um gegen den „Ausverkauf des nationalen Eigentums“ vorzubeugen —, könnte abschreckend wirken, wie Buzoianu eingesteht. „Doch ausländischen Firmen, die die hiesigen Bedingungen kennen“, glaubt der Direktor, „werden diesen Standpunkt verstehen und akzeptieren“. Wenn er in Betracht ziehe, daß die Aktien unter der rumänischen Bevölkerung breit gestreut seien, könne er sich sicher sein, „daß ausländische Partner ein Entscheidungsrecht haben werden“. Um die Investitionsbedingungen dennoch so attraktiv wie möglich zu gestalten, hat die Regierung in die Privatisierungsvorschriften noch ein Hintertürchen eingebaut: Die Aktien sind nach der Erstausgabe frei handelbar und können somit auch von Ausländern aufgekauft werden.

So erscheint der erste Akt der großen Privatisierung in Rumänien vielversprechend. In der Priavtisierungsbehörde ist man sich aber im klaren darüber, daß die guten Erfolgsaussichten zum großen Teil auf den speziellen Bedingungen bei Ursus beruhen. Daß ausländische Investoren sich für die große Masse der unproduktiven und unprofitablen Unternehmen im selben Maße wie für die Großbrauerei interessieren, ist unwahrscheinlich. Auch die Probleme des Aktienverkaufes an die Bevölkerung haben die ANP-Mitarbeiter vor Augen: „Die Zinsen, die aufgrund der hohen Inflation derzeit 60 Prozent betragen, liegen viel höher als die Dividenden“, erklärt Dragos Potolea von der Privatisierungscrew im Kreis Cluj, „erst wenn die Inflation zurückgeht, wird sich der Aktienbesitz lohnen. Doch die meisten Leute haben gar kein Geld, um sich Aktien zu kaufen.“