Willkommen im Ofen

■ Alvaro Restrepo verzauberte als das Urwesen Rebis die K 2

verzauberte als das Urwesen Rebis die K2

In einem gewissen Gleichmut, der Lateinamerikanern von Mitteleuropäern gerne unterstellt wird, konnte sich das Publikum am Donnerstag im Foyer der K 2 auf Kampnagel üben. Der Beginn der deutschen Erstaufführung von Rebis, einer Produktion der kolumbianischen Gruppe Athanor Danza, verzögerte sich um ein knappes halbes Stündchen, das auf einen denkwürdigen Abend einstimmte, an dem die Zeit stehenblieb.

Als das Publikum eintritt, ist die Bühne eingenebelt in schwere Weihrauchdüfte. Ein schwacher Punktstrahler ist die einzige Lichtquelle in der K 2 und gerichtet auf einen kugelförmigen, mit einem Kreuz versehenen Lehmkrug. Die Industriehalle hat den Charakter eines indianischen Dampfzeltes. Im langsam aufblendenden Licht regt sich der nackte, nur mit Körperfarbe angezogene kolumbianische Tänzer und Choreograph Alvaro Restrepo. Gekrümmt hockt er in einem dunkel erkennbaren Kreis, auf Händen stehend und die Kniekehlen auf die Ellenbogen gestützt. In dieser Spinnenhaltung, begleitet von bauchigen Klängen bruitistischer Musik, hoppelt und zuckt Rebis mit starr auf den Boden gerichteten Augen. Es folgen die Metamorphosen des Wesens, das mal Tier, mal Mensch, mal Mann und mal Frau ist, und das selbstvergessen seinen rituellen Handlungen mit dem ungebrannten Lehmkrug nachgeht, bis es am Ende seinen Kopf darin versenkt. Mit leuchtendem Staub aus seinem Zauberkrug erweitert Restrepo den Kreis und umgibt ihn mit einem Quadrat. Die magischen Zeichen setzend, spricht er das Wort „Calor“ - „Hitze“ - vor sich hin, bis es in der Reihung zu „Lorcalorca“ wird - Rebis war zunächst als Prolog einer Hommage an den spanischen Dichter konzipiert, doch dann entwickelte es sich zu einem selbständigen Stück. Athanor, der Name der Gruppe, bezeichnet in der Alchemie den Ofen, in dem Reinigung und Regeneration des Geistes vollzogen werden, so ist aus dem Programm zu erfahren. Und wie in einem Räucherofen empfängt auch das Publikum die Bilder des sich katzenhaft, wild und mit Poesie in den Muskeln bewegenden Restrepo, der weniger eine herkömmliche Theatervorstellung gibt, sondern eher einen archaischen Ritus zelebriert. Nach einer Dreiviertelstunde ist die Zauberei vorbei - so als habe sie viel länger gedauert und doch gerade erst begonnen. Rebis geriet zur ersten Sensation des Sommertheaters. jk

21 Uhr, K2