Walters letzte Tage

■ Vor Mompers Sturz: Manche Genossen weinen, die meisten telefonieren/ Ein Sozi zum Chef: »Walter, du bist nicht mehr bei uns!«

Berlin. Was Berliner Sozialdemokraten in diesen Tagen so über ihren Chef sagen, läßt sich beim besten Willen nicht als wohlwollend bezeichnen. Zum Beispiel diese Einschätzung über Walter Mompers Zukunft: »Das ist wie bei einem Preisboxer. Eine Weile hält er durch. Aber je öfter er einen auf die Omme kriegt, desto schwieriger wird es.«

Steht er noch, taumelt er schon — oder muß man ihn schon auszählen? Die meisten Sozis, die sich beim besten Willen nicht mehr als Mompers »Parteifreunde« bezeichnen lassen, haben sich auf die dritte Variante festgelegt. Dazu trägt in entscheidender Weise die Tatsache bei, daß jedem Sozialdemokraten eines bis mehrere Telefone zur Verfügung stehen, über die er sich mit den anderen Momperfeinden abstimmen kann. »Ich habe jetzt Gerd Wartenberg angerufen«, sagt einer. »Am Wochenende telefonieren wir noch mal.«

»Ich weiß nicht, ob Staffelt jetzt schon Wartenberg angerufen hat«, sagt ein anderer Sozi. Deshalb ist noch offen, ob der Bonner Abgeordnete bereit ist, als Parteichef anzutreten, oder ob Fraktionschef Ditmar Staffelt selbst in den Ring steigen muß. Dabei hätte er lieber noch eine Weile abgewartet, bis er sich als Spitzenkandidat offen den Schlägen der Gegner präsentieren muß.

Leider können viele Ostberliner Mitglieder beim Telefonspiel nur begrenzt mitmachen: mangels Telefon. Kein Wunder, daß dort die Anti- Momper-Front noch nicht richtig steht, kein Wunder, daß bis gestern nachmittag niemand bei Wolfgang Thierse angerufen und ihn gefragt hat, ob er Parteichef werden will.

Momper allein scheint zu glauben, er stünde noch mit beiden Beinen auf der Matte. »Hier werden innerparteiliche Auseinandersetzungen über meine Person geführt«, analysiert er. Gleichzeitig muß er einräumen, daß es nicht nur die alten Feinde sind, die ihn weghaben wollen. Schließlich hat er in den letzten Tagen auch mit einigen neuen Feinden telefoniert.

Als der Kreisvorstand Wedding am Donnerstag abend über ihn verhandelte, war er persönlich anwesend. Viele hätten an seine Verdienste erinnert, darunter der Ex-Innensenator Erich Pätzold, sagt der Kreisvorsitzende Hans Nisblé. Aber der Beschluß, Momper solle sein Amt niederlegen, sei einstimmig gefallen. Vorher hätten sich bewegende Szenen abgespielt. »Einem alten Sozialdemokraten kamen die Tränen, er schluckte.« Aber von Momper sei als Antwort nur noch »Eiseskälte« gekommen. »Zu den Fragen der Genossen« habe er gar nicht mehr »Zugang« gefunden und lediglich die Firma Ellinghaus vor Kritik verteidigt. Da habe er, Nisblé, zu Momper gesagt: »Walter, du mußt einen sehr guten Vertrag in der Tasche haben. Du bist schon nicht mehr bei uns.« Hans-Martin Tillack