: Die vielen Tricks gegen das UN-Embargo
■ Unternehmer verdienen sich eine goldene Nase an faulen Geschäften
Belgrad (AFP) — Vor zweieinhalb Monaten ist ein UN-Embargo gegen Restjugoslawien in Kraft getreten, und doch hat die Wirtschaft des Landes überlebt — dank zahlreicher Tricks, mit denen die Sanktionen ausgehebelt werden. Nachdem das Embargo am 30.Mai gegen die aus Serbien und Montenegro bestehende Föderative Republik Jugoslawien (FRJ) beschlossen wurde, schossen Firmen aus dem Boden, deren offizieller Sitz in den serbisch kontrollierten Gebieten von Bosnien-Herzegowina oder in serbisch kontrollierten Städten in Kroatien liegt, etwa in Vukovar oder Ilok. Denn während ein Unternehmen mit Belgrader Firmensitz keinerlei Geschäfte mehr mit dem Ausland machen kann, darf eine serbische Firma in Sarajevo oder Vukovar sie ganz legal betreiben.
Rohstoffe und andere Waren werden daher zunächst an diese Scheinfirmen geschickt, die sie dann unbehelligt nach Serbien oder Montenegro weiterleiten. Auch eine andere Variante scheint problemlos zu funktionieren. „Nichts ist einfacher, als den Handel über mazedonische Import-Export-Firmen abzuwickeln“, erklären Geschäftleute, die sich rühmen, das Embargo täglich zu umgehen, nachdem ihnen Anonymität zugesichert wurde. „Ich lieferte weiter Chemieprodukte nach Griechenland und Ungarn. Sie werden per Lkw transportiert. In Mazedonien tauscht eine darauf spezialisierte Firma die Papiere, das Nummernschild und den Fahrer aus. Meine serbischen Waren werden für 700 Dollar pro Lkw mazedonisch“, erzählt ein Belgrader Unternehmer.
Mit diesen Praktiken haben sich zahlreiche Zwischenhändler in kürzester Zeit bereits eine goldene Nase verdient, denn die Transaktionen werden auch am Fiskus vorbeilanciert. „Gezahlt wird in bar auf Nummernkonten in Zypern“, verrät ein Händler. Aber die FRJ ist offenbar nicht die einzige, die das Handelsverbot aushebelt. „Niederländische und deutsche Lkw sind in den vergangen Tagen hier angekommen, um tonnenweise Früchte aus serbischen Agrarbetrieben abzuholen“, berichtet ein EG-Diplomat. Von Zöllnern wird sogar der Verdacht geäußert, daß es einen illegalen Waffenhandel von Deutschland aus in die FRJ gebe.
Französische Kosmetika sind heute in Belgrad noch ebenso zu finden wie österreichische Schokolade und deutsches oder italienisches Waschpulver. Die Preise sind allerdings horrend. Der Mangel an Medikamenten macht sich hingegen stärker bemerkbar. Pharmazeutische Produkte aus Slowenien tauchen allerdings in den letzten Wochen wieder auf. Die Ursache hierfür ist ein enormer Schwarzmarkt im rumänischen Temesvar, etwa 150 Kilometer nördlich von Belgrad. Für Unruhe hat dort jedoch die angekündigte Reise von internationalen Beobachtern gesorgt, die die Einhaltung des Embargos kontrollieren sollen. Durch eine striktere Kontrolle des Schiffsverkehrs auf der Donau könnte auch die Ölversorgung unterbunden werden, denn nach Aussagen von Kapitänen wird die FRJ bisher noch relativ problemlos auf diesem Wege mit dem Energieträger versorgt. Nicolas Miletitch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen