Berliner SPD bildet Begräbniskomitee

Mit dem Rücktritt des Berliner SPD-Chefs Momper rechneten Parteifreunde gestern fast schon stündlich  ■ Aus Berlin H.-M. Tillack

Vielleicht noch am Wochenende, vielleicht am Montag — die Berliner Sozialdemokraten rechneten gestern fast schon stündlich mit dem Rücktritt ihres Parteichefs Walter Momper. „Er ist nicht mehr zu halten“, zu diesem Schluß kamen gestern auch Sozialdemokraten vom linken Flügel und aus dem Ostteil der Stadt, die den Parteichef bisher noch gestützt hatten. Die rechten Kreisverbände fordern den ehemaligen Regierenden Bürgermeister seit zwei Tagen offen zum Abschied auf. Am Montag werden sie auch förmlich beantragen, Momper von dem Vorsitz zu entbinden, den er seit 1986 innehat.

„Es geht jetzt nur noch um die Frage, wer das Begräbniskomitee leitet“, meinte ein SPD-Linker. Als Nachfolger für Momper wurden bereits eine Reihe von Namen offen gehandelt: der von den Linken bevorzugte Bundestagsabgeordnete Gerd Wartenberg, der aus dem Ostteil stammende Vizevorsitzende der Bundes-SPD Wolfgang Thierse, und Fraktionschef Ditmar Staffelt, der seit den Zeiten der rotgrünen Koalition Mompers größter Rivale ist.

Auslöser für den flügelübergreifenden Aufstand gegen Momper war dessen Einstieg als Generalbevollmächtigter bei der Immobilienfirma Ellinghaus am Montag. Die Ankündigung des Parteichefs schockierte selbst alte Momper-Freunde. „Wie soll der Walter noch glaubwürdig unsere Mietenkampagne mittragen?“, fragten sich altgediente Sozis. Andere sorgten sich, die Partei könnte in den Ruch allzugroßer Nähe zur berüchtigten Berliner Baubranche kommen. Solche Befürchtungen wurden angeheizt, als sich herausstellte, daß Ellinghaus geschäftliche Kontakte mit dem skandalumwitterten Architekten Dietrich Garski pflegt. Der hatte 1980 einem SPD- Senat zum Sturz verholfen, nachdem bekannt wurde, daß Garski Landesbürgschaften über 116 Millionen Mark in den Sand gesetzt hatte.

Ostberliner Sozialdemokraten, die die Westberliner Bauskandale nur im Fernsehen miterlebt hatten, plagt eher die Sorge, ein Teilzeitvorsitzender „könnte sie vernachlässigen“, so der aus dem Ostteil stammende Jugendsenator Thomas Krüger zur taz. Er plädierte dafür, im Fall von Mompers Rücktritt Wolfgang Thierse zum Nachfolger zu küren.

Auch die CDU, die in Berlin mit der SPD eine Koalitionsregierung bildet, reihte sich gestern in den Kreis der Beerdigungsgäste ein. CDU-Fraktionschef Landowsky sah in der „Führungskrise“ des Koalitionspartners die „große Chance“ für mehr Harmonie im Regierungsbündnis: Momper hatte immer wieder scharfe Kritik am Senat geübt.

CDU-Generalsekretär Karl-Joachim Kierey steuerte die Anmerkung bei, noch 1973 habe die SPD auf einem Bundesparteitag das Verbot privater Immobilienmakler gefordert.

Momper, dem auch seine Gegner „Nehmerqualitäten“ zusprechen, scheint vorerst trotzdem nicht zu kapitulieren. Auf die Frage der taz, ob er weiter als Parteichef und Spitzenkandidat für die nächsten Wahlen antreten wolle, meinte er gestern: „Dabei bleibt es.“