Melodram mit Kolumbus

■ Wie die Sonne gestohlen wurde hatte Premiere bei Movimientos 92: Lieder und Rezitationen über Eurozentrismus und die Ausbeutung Lateinamerikas

hatte

Premiere bei Movimientos92: Lieder

und Rezitationen über Eurozentrismus und

die Ausbeutung Lateinamerikas

Als erste von zwei Hamburger Produktionen hatte Wie die Sonne gestohlen wurde Premiere bei Movimientos '92. Die szenische Lesung, eine Koproduktion von Schauspielern des Thalia und der Gruppe Pan-Theater, kombinierte Texte von Europäern und Nordamerikanern über Lateinamerika mit lateinamerikanischen Liedern. Die Mischung aus vergnüglichen Spielszenen und aufklärerischer Emphase lieferte ein bruchstückhaftes Bild des Eurozentrismus, dem zufolge Amerika zum Exempel für Völkermord und Ausbeutung wurde.

Thematisch und zeitlich ungebunden wanderte die Auswahl durch die Jahrhunderte seit 1492. Texte aus dem Tagebuch von Christoph Kolumbus und über Bartolomé de las Casas, der die bestialischen Massaker und Folterungen der spanischen Eroberer niederschrieb und sich in Europa für die Menschenrechte der Ureinwohner Amerikas einsetzte, boten Eindrücke von der ersten Phase der Versklavung des Kontinents. Stefan Lohse als Alexander von Humboldt repräsentierte mit schelmischer Bravour die gelehrte Begeisterung angesichts der Neuen Welt, die sich gleichzeitig über die unmenschliche Behandlung der Indianer und Sklaven zu empören wußte. Marion Martienzen als beschwipste Promotion-Agentin der „United Fruit Company“, die in ausgelassener Stimmung über die Unterwerfung Guatemalas zur Bananenrepublik parlierte, bot einen der Höhepunkte des Programms.

Im Anfang viel zu unzusammenhängend und zu oft nach altlinker Betroffenheit heischend, kam das Programm eigentlich erst dann in Fahrt, wenn der Ernst der Empörung dem Augenzwinkern wich. Maßgeblich im zweiten Teil wurden die Staffelübergaben von Szenen und Musik und die Mischung von Fingerzeigen und Schmunzelgeschichten in ein vernünftiges Verhältnis gebracht. Hier paßten dann

Peter Frankes humoristischer

1Charme (unter anderem als Carl Hagenbeck) neben die Geschichte eines Indianers, der erzählt, daß die US-Amerikaner an Indiokindern AIDS-Impfstoffe testen. Dennoch gab es letztlich mehr verzichtbare als überzeugende Momente und statt fünfzehn Liedern, meist gesungen von Donata Höffer, hätte die Hälfte gereicht. In gestraffter Form und unter Verzicht auf die vielen Rezitationen, wäre aus dem langatmigen Melodram sicherlich ein spannender Abend geworden. Till Briegleb