Lohn der Angst

■ Das 4:1 gegen den SV Meppen beruhigt die Gemüter beim VfB Oldenburg

Der Mann ist nervös, aber er will es nicht zeigen. Steht von der Trainerbank auf, geht auf die Laufbahn, vergräbt die Hände in den Taschen seiner Trainingshose. Ein kurzes Kommando an seine Verteidiger auf dem Feld, zurück auf die Bank, die rechte Hand wischt ein paar Haare aus der Stirn, die Linke nestelt am Schnürsenkel.

Die Nerven des Fußball-Lehrers Wolfgang Sidka sind arger Belastung ausgesetzt in diesen Tagen. Sein VfB Oldenburg, vor vier Monaten fast in die Bundesliga aufgestiegen, ist schlecht in die neue Zweitliga-Saison gestartet. Die Stützen des Teams gerieten kollektiv in die Krise, die hinzugekauften Kräfte versprachen viel, doch hielten wenig.

Resultat nach acht Spieltagen: Platz 20 und nicht mehr als fünf Punkte — da gerät jedes Match zum Abstiegskampf. Ernüchterung hat sich breit gemacht in Oldenburg: „Daß wir so schnell so weit runtergehen, das hat uns schon umgehauen“, sagt VfB- Präsident Klaus Berster.

Den Präsidenten, früher Eishockeytorwart, jetzt Geschäftsmann in Westerstede, kostete die Krise beim VfB gar einige Urlaubstage. Nachdem sich die Oldenburger gegen die eher biederen Kicker von Mainz 05 eine 0:3-Schlappe eingehandelt hatten, eilte Berster („Meine Ferienstimmung war ohnehin getrübt“) aus Kärnten an den Brennpunkt zurück. Dort diagnostizierte er heftige Zerwürfnisse im bis dato so harmonischen Team; das Verhältnis zwischen Sidka und VfB- Manager Rudi Assauer schien gar irreparabel. Berster: „Der Graben zwischen beiden ist ozeantief.“

Nach mehreren Einzelgesprächen mit Manager und Coach konnte der Präsident seine Einschätzung jedoch revidieren. Zwar gebe es unterschiedliche Auffassungen über den richtigen Weg zum sportlichen Erfolg, doch habe man sich auch wegen mancher Banalität unnötig gestritten.

„Von derart hochdotierten Angestellten kann man verlangen, daß sie sich zusammenraufen“, sprach Berster und rief die Streithähne zu einer zumindest vorübergehenden Ordnung.

Damit war die Arbeitsfähigkeit der Chefetage wiederhergestellt, und seit dem Spiel gegen den SV Meppen hofft auch die kickende Belegschaft auf bessere Tage. Obwohl die Oldenburger kaum stärker spielten als ihre emsländische Konkurrenz, gewannen sie mit 4:1, weil die Gästeabwehr einen Tag des Offenen Tores abhielt. Zuerst berührte der Meppener Damir Bujan den Ball im Strafraum mit der Hand (Meppens Trainer Ehrmanntraut: „Absolut anfängerhaft!“). Torjäger Drulak trat zum Strafstoß an, traf zwar nicht im ersten Versuch, dafür per Nachschuß, „weil ihn meine Jungs überhaupt nicht gestört haben“ (Ehrmanntraut). Nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich für Meppen mußte der geplagte Ehrmanntraut mitansehen, wie sein Recke Robert Thoben ein Kopfballduell gegen Oldenburgs Kai-Uwe Schnell verlor, „obwohl der doch bestimmt fünfzehn Zentimeter kleiner ist.“ Schnell jedenfalls wurde anschließend gefoult, und Radek Drulak machte aus dem Freistoß sein sechstes Saisontor: 2:1. Danach, so Ehrmanntraut, „sind wir irgendwie auseinandergebrochen“. Ein Umstand, den der VfB zur Verbesserung des Torverhältnisses nutzte: 3:1 durch Linke, 4:1 durch Gerstner, zeitgleich mit dem Abpfiff.

Und Sidka? Der sprang nach dem glücklichen Ende des wichtigen Spiels erfreut von der Bank. Das Ergebnis werde dafür sorgen, „daß wir die nächste Woche ruhiger angehen können“, sprach der Coach und blies erleichtert die Backen auf. Derweil Präsident Berster auf der Ehrentribüne seine farbenfrohe Krawatte ordnete. Einen klaren VfB-Sieg hatte er voraugesagt und sich damit erneut als Berufsoptimist ausgewiesen. Für besonders gewagt hat er seine Prognose indes nicht gehalten: „Schließlich können die doch nicht in ein paar Wochen verlernt haben, wie man Fußball spielt.“ Holger Gertz