PORTRÄT
: Von der Loipe aufs Rad

■ Frank Höfle, vierfacher Medaillengewinner von Albertville, startet auch bei den Sommer-Paralympics

Isny (taz) — Als Fünfjähriger fiel er vom Traktor des Vaters: Schädelbasisbruch. Seither ist Frank Höfle aus Isny im Allgäu fast blind. Lediglich auf dem rechten Auge blieb ihm eine Sehfähigkeit von fünf Prozent. Wo viele resignieren, stellte sich Frank Höfle trotzig auf die Hinterbeine. „Ich mußte und wollte mich durchbeißen“, sagt er, „der Sport war mir dabei eine große Hilfe.“ Sport als Heilmittel für die Psyche von Behinderten? Integration habe er dadurch gefunden, versichert Höfle, Anerkennung und jede Menge Freunde.

Die Erfolge des 24jährigen nötigen Respekt ab: Bei den letzten Winter-Paralympics in Albertville holte er drei goldene und eine silberne Medaille im Ski-Langlauf. Gehamstert hat er ferner fünf Weltmeister- sowie fünf Europameistertitel. International ist Frank Höfle im Langlauf seit 1986 unbesiegt. Die Vitrine zu Hause in Isny, die er nur in Umrissen erkennen kann, ist vollgepackt mit glänzenden Pokalen. Auch bei den Paralympics in Barcelona wird er an den Start gehen, im Tandem-Radfahren.

Mittelpunkt in Höfles Leben ist der Sport. Bis zu zwölf Trainingseinheiten stehen pro Woche auf dem Programm. Im Sommer wie im Winter. Der Sport helfe ihm, die Vorzüge dieser Welt zu erkennen, glaubt Höfle. Auch wenn er den funkelnden Schnee und die Berge vor seiner Haustür seit 19 Jahren nicht mehr gesehen hat. Den 24jährigen treibt der sportliche Ehrgeiz nach schnelleren Zeiten, neuen Rekorden und weiteren Titeln.

In dieser Hinsicht unterscheidet ihn nichts von nicht behinderten Kollegen wie Jochen Behle oder Jens Fiedler. Frank Höfle will aber auch eine andere Aufgabe erfüllen. „Ich will andere Behinderte vor dem Resignieren bewahren“, sagt er und organisiert in Absprache mit dem Deutschen Behinderten-Sportverband Seminare. Sport, sagt er den Teilnehmern, sei eine Beschäftigung, mit deren Hilfe man schneller vergessen könne und sich vor allem bewußt wird, daß das Leben weitergeht. „Und zwar mit einer Menge von schönen Dingen.“

Nach den Medaillengewinnen von Albertville war der 24jährige ein gefragter Mann. Er hatte zahlreiche Fernsehauftritte, Pressevertreter und Rundfunkreporter standen beinahe täglich auf der Matte. Er mußte stets die gleichen Fragen beantworten. Wie solche Leistungen trotz seiner Behinderung möglich seien, welche Gefühle ihn im Kampf mit dem inneren Schweinehund auf der einsamen Loipe oder auf dem Radkurs befallen? „Wenn man einen Willen hat, dann läßt sich auch einiges erreichen“, erklärte er den Journalisten. „Die Gefühle auf der Loipe sind ohnehin die gleichen wie bei den nicht behinderten Sportlern.“ Freddy Schissler