Acht Tote bei Kundgebungen für die PKK

Mit Gewalt versuchten türkisches Militär und Polizei, der Sympathiekundgebungen für den bewaffneten Kampf in Kurdistan Herr zu werden/ Schüsse aus Panzern/ Städte wie im Belagerungszustand  ■ Aus Istanbul Ömer Erzeren

Am Samstag hatte die kurdische Guerillaorganisation PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) die Bevölkerung aufgerufen, „den achten Jahrestag des Beginns des bewaffneten Kampfes“ zu feiern. In Dutzenden Ortschaften in Türkisch-Kurdistan wurde dem Aufruf Folge geleistet, und es kam zu Kundgebungen und Demonstrationen. Mit Gewalt versuchte das Militär, den öffentlichen Sympathiebekundungen für die Guerilla Herr zu werden. Aus Panzerwagen wurde in Demonstrantengruppen geschossen. Angaben der Tageszeitung Yeni Gündem zufolge sind acht kurdische Zivilisten vom Militär erschossen worden.

Mit Minibussen und Traktoren machten sich rund 4.000 kurdische Bauern nahe der südöstlichen Stadt Derik zu einer Demonstration auf. Sie wurden auf der Zufahrtsstraße in die Stadt von Militär eingekesselt. Als sich die Gruppe weigerte, sich aufzulösen, wurde aus Panzern in die Menge geschossen. Fünf Männer und eine Frau starben im Kugelhagel, 15 Personen wurden verletzt. Auch auf die Bauern des Dorfes Tepecik wurde geschossen, als sie sich versammeln wollten. Ein Mann starb, elf Personen — unter ihnen ein Kind — wurden durch Schüsse verletzt. Im kurdischen Hazro wurde ebenfalls ein Mann erschossen. Vor allem in den ländlichen Regionen folgten die Kurden dem Aufruf der Guerilla, zu demonstrieren.

Massendemonstrationen in den größeren kurdischen Städten, wie sich die PKK erhofft hatte, blieben aus. Kleinere Kundgebungen gab es in mehrere Stadtteilen Istanbuls. In Bakirköy hatten sich PKK-Sympathisanten, getarnt als Teilnehmer einer Beschneidungszeremonie, getroffen, um anschließend vom Saal aus gemeinsam auf die Straße zu gehen. Mit Knüppeln schlugen die Polizisten die Demonstranten, derer sie habhaft werden konnten, zu Boden. Allein in Istanbul sind am Samstag mehrere hundert Personen festgenommen worden.

In den kurdischen Städten, die faktisch unter Totalbelagerung durch das türkische Militär und die Polizei stehen, wären Demonstrationsversuche einem selbstmörderischen Akt gleichgekommen. In der heimlichen Hauptstadt Türkisch- Kurdistans, Diyarbakir, hatte der Staat— das Militär nicht mitgerechnet — 5.000 Polizisten zusammengezogen. Diyarbakir, das seit Tagen hermetisch von der Außenwelt abgeriegelt wird, glich einer Totenstadt. Die Geschäfte und Läden blieben wie in anderen kurdischen Städten geschlossen — einzig mögliche gewaltlose Art und Weise, den Protest gegen den türkischen Staat kundzutun. Polizisten verprügelten Händler, um sie dazu zu bewegen, ihre Läden zu öffnen — erfolglos. Journalisten und Fotoreporter wurden von bewaffneten Zivilpolizisten bedroht. Mehrere Journalisten waren im Zuge der vergangenen Woche ermordet worden. Die Journalisten hier leben in ihren Wohnungen und Büros mitten im Kriegszustand. Gardinen zu, Licht aus. Alleine trauen sie sich nicht auf die Straße. Die gemeinsame Angst ist, irgendwann als Verschollener oder als Leiche zu enden.

Feridun Yazar, der Vorsitzende der prokurdischen „Arbeitspartei des Volkes“, die auch im türkischen Parlament vertreten ist, ist entsetzt über den Staatsterror und das Blutvergießen: „Der Krieg ist keine Lösung. Es bedarf einer demokratischen Öffnung, einer politischen Lösung, die das Blutvergießen stoppt. Wir rufen den Staat und die PKK zum Waffenstillstand auf.“