Gute Prognosen für die Eltern

■ Kindertod hatte vor allem soziale Ursachen / Eltern waren hoffnungslos überfordert

Im Prozeß gegen das Ehepaar, dessen Zwillingskind mit 21 Monaten an Unterernährung starb, sind gestern vor dem Hamburger Landgericht weitere Zeugen zu Wort gekommen. Die Anklage wirft den Eltern vor, ihre Fürsorgepflicht vernachlässigt und sich der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gemacht zu haben, weil sie zwei ihrer sechs Kinder so schlecht versorgten, daß ein Zwillingskind zu Tode kam und das andere ein Jahr lang im Krankenhaus kuriert werden mußte.

Am zweiten Prozeßtag wurde deutlich, daß die „einfach strukturierten“ Eltern damals so hoffnungslos überfordert waren, daß sie gar nicht auf den Gedanken kamen, daß sich ihre Zwillinge in einer derartigen Gefahr befanden. „Daß ich schuldig bin, weiß ich“, wiederholte die Mutter gestern weinend vor Gericht. Mehrere Zeugen bestätigten, daß sich das Familienleben seit dem Tod des Kindes grundlegend geändert habe. Der Vater, der sich früher meist dem Computerspielen und Biertrinken widmete, sei jemand, der seine Frau bei der Erziehung der Kinder unterstützt.

Die Mutter, die sich damals nie getraut hätte, jemanden um Hilfe zu bitten, steht heute in engem Kontakt zu Sozialarbeiterinnen des „Netzwerks der Sozialen Dienste“ und hat — wie es im Sozialpädagogenjargon heißt — an sozialer Kompetenz gewonnen. Das andere Zwillingsmädchen, das im Krankenhaus sprechen und laufen gelernt habe und jedesmal traurig wurde, wenn die Besuchszeit der Eltern zu Ende war, sei heute ein „lebendiges, strahlendes und fröhliches viereinhalbjähriges Mädchen“. Bei ihrer Mutter, so eine Sozialpädagogin, fände das Kind heute „Schutz und Geborgenheit“.

Trotz der diffamierenden Berichterstattung, die dem Vater den Job kostete, geben Gutachter der Familie eine positive Prognose. Christine Bauer