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BUND will nur noch zwei Spuren für Autos

■ Neues Verkehrskonzept: Straßengebühr in ganz Berlin soll Zahl der Fahrzeuge sürbar reduzieren/ Kritik an Hassemers »Kat-Konzept«

Berlin. Wenn es nach den Vorstellungen des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) geht, soll dem Autoverkehr in Berliner Hauptstraßen künftig nur noch eine Fahrbahn pro Richtung zur Verfügung stehen. Autofahrer müßten dann monatlich eine Straßenbenutzungsgebühr von 100 Mark innerhalb der Berliner Stadtgrenzen und weitere 100 Mark innerhalb des S-Bahn-Rings zahlen. Parkplätze würden weitgehend abgeschafft, die wenigen verbleibenden Stellflächen würden bis zu 700 Mark monatlich kosten. Diese Forderungen sind Teil eines Verkehrskonzeptes »Auto oder mobil«, das der Umweltverband gestern als Broschüre vorstellte.

Fußwege sollten künftig auch nicht mehr an jeder Ecke von Straßen unterbrochen werden, sagte BUND- Vertreter Klaus Gerlach. Die Gehwege sollten über Straßenkreuzungen hinweg verlängert werden. Autofahrer müßten ihr Fahrzeug vor den Kreuzungen abbremsen — ähnlich wie bei den Erhöhungen in verkehrsberuhigten Zonen. So könne der Fußgängerverkehr gefördert werden, der in den bisherigen Verkehrsplanungen schlichtweg vergessen werde, sagte Gerlach. Er erinnerte daran, daß ein Viertel aller Wege zu Fuß erledigt werden.

Nach den Vorschlägen des BUND sollte der Senat auf den Bau neuer und der Verlängerung vorhandener U-Bahn-Linien und der Tiergartentunnel verzichten. Mit den Einsparungen könne der Ausbau der günstigen S-Bahn und Tram bezahlt werden, sagte Straßenbahn-Experte Martin Schlegel. Der Nahverkehrs- Spezialist bedauerte, daß die Koalition sich nicht an ihr Versprechen halte, den öffentlichen Nahverkehr zu bevorzugen. CDU und SPD wollen den inneren und mittleren Straßen-Ring vervollständigen — von der Wiederherstellung der drei Straßenbahn-Ringe, die es in Berlin gegeben habe, rede im Senat dagegen niemand. Schlegel bezeichnete es als Skandal, daß in der Verkehrsverwaltung Bahnplaner aus ihrem Referat herausgenommen werden, damit sie bei der Planung von Straßen aushelfen — wie für den Ausbau des Sachsendamms geschehen.

Im gesamten Stadtgebiet dürfe ebenfalls nur noch Tempo 30 gefahren werden, rät Brigitte Domurath. Im vergangenen Jahr habe es knapp 160.000 Verkehrsunfälle in Berlin gegeben, knapp 20.000 Menschen seien verletzt, 198 getötet worden. Ursache Nummer eins sei erhöhte Geschwindigkeit, vier Fünftel aller Unfälle — darunter besonders die schweren — hätten sich auf Hauptstraßen ereignet. In diesem Jahr seien drei Kinder zwischen sechs und sieben Jahren tödlich verunglückt. Das Argument, Autofahrer verlieren bei Tempo 30 Zeit, stimme nicht.

Tempo 50 bezeichnete Domurath als »institutionalisierte Gewalt gegen Kinder«. Für das Betreiben der »potientiell tödlichen Anlage Verkehr« trage der Verkehrssenator die Verantwortung. Die Erlaubnis, Tempo 50 zu fahren, sei eine indirekte Aufforderung zum Mord — ähnlich den Todesschüssen an der Mauer, sagte Domurath.

Der BUND kritisierte das von Umweltsenator Volker Hassemer (CDU) vorgestellte »Kat-Konzept«. Nach dem Hassemer-Plan sollen Autos ohne Katalysator ab 1. Januar 1994 nur noch gegen Gebühr innerhalb des S-Bahn-Rings fahren dürfen. Gleichzeitig erhalten sie dann die BVG-Umweltkarte. Der BUND sagt dagegen, daß Katalysatoren bei Kurzstrecken das Autoabgas nicht optimal reinigen. In der Stadt seien aber die Hälfte aller Wege, die mit dem Auto zurückgelegt werden, kürzer als fünf Kilometer. Dirk Wildt

»Auto oder mobil — Stadtverkehr in Berlin« (Auflage 4.000), vier Mark, erhältlich beim BUND, Crellestraße 35, Berlin 62, Tel.: 787900-0, und BUND, Holzmarktstraße 73, 1020 Berlin

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