In Schweden steigen trotz Jahrhundertsommer die Ausleihzahlen

■ Sturm auf die Bibliotheken

Sturm auf die Bibliotheken

Stockholm (taz) — Eigentlich gehen die Ausleihzahlen der schwedischen Bibliotheken seit einigen Jahren stetig zurück, und im Haupturlaubsmonat Juli lassen sich normalerweise noch weniger Leseratten in den Büchereien blicken. Doch trotz des schwedischen „Jahrhundertsommers“ verzeichnete die Stockholmer „Hauptbibliothek“ im Juli einen Zuwachs von über 20 Prozent, berichtete die Stockholmer Tageszeitung Dagens Nyheter. Kleinere Bibliotheken kamen sogar auf bis zu 56 Prozent mehr Interessenten. Olga Miletic, Chefin der Hauptbibliothek, erklärt sich den plötzlichen Lesehunger mit den für schwedische Verhältnisse explodierenden Arbeitslosenzahlen. Waren bis vor zwei Jahren noch circa ein Prozent der Schweden ohne Job, so sind es jetzt schon über fünf Prozent. Die größere „Freizeit“ verbringen viele Arbeitslose mit Lesen, viele benötigen auch Literatur während der Umschulung. Andere erklären sich das Phänomen ebenfalls mit der wirtschaftlichen Krise des Königreiches. Die Kommunen müssen mit kleineren Budgets auskommen, sie sparen deshalb zuerst auch an den Büchereien. Die Schweden setzen ihre Politiker jedoch mit einer pfiffigen Aktion unter Druck. Die Dienste der bedrohten Bibliotheken werden gezielt stärker in Anspruch genommen. Die gesteigerte Nachfrage soll es den Verantwortlichen schwermachen, die Büchereien zu schließen. Falk Madeja