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: Weibliche Waffen

■ "Kinderspiel", ARD, So., 20.15Uhr

Wenn Frauen ermitteln, müssen sie mindestens folgende Kriterien erfüllen: Sie geraten zufällig an den Fall, sind persönlich betroffen, müssen sich gegen die Dumpfheit der männlichen Kollegen behaupten und letztlich durch den Einsatz weiblicher Waffen siegen. Dackelstirn und Dickbauch sind dagegen ausgeschlossen. Gratulation! Diesen Test hat die neue Inspektorin Susanne Kern (Sylvia Haider) in ihrer ersten „Tatort“-Produktion des ORF in Wien glänzend bestanden.

Bei einem vergnüglichen Praterbesuch wird sie von einer zappelnden Kinderbande umzingelt, und weg ist das Umhängetäschchen inklusive Dienstmarke, Pistole und Anti-Baby-Pille. Tragischerweise piekst ihr zum Abschied ein böser Bube mit einer Spritze und den Worten: „Da ist Aids drin“ in den Arm. Solche Pannen lassen sich doch vermeiden, Frau Inspektorin! Es empfiehlt sich, dreimal wöchentlich am Training der Polizeisporttruppe teilzunehmen. Ihr besorgter Vorgesetzter, Oberinspektor Fichtl, enthebt sie aufgrund der Stichwunde — er darf sie „Susi“ nennen — der Ermittlungen: „Sie sind krank, schlafen sie sich aus.“

Doch die knallharte Kommissarin kippt eine Flasche Whiskey runter und verkleidet sich als leichtes Mädchen. Sie gewinnt das Vertrauen eines kulleräugigen Bengels der Bande — er heißt Jule — mittels Taschentüchern, Cola-Rum und Hamburgern. Muß das sein? Unübersehbar das Product-Placement einer gelb-roten Abfreßkette. Währenddessen kommt es zu Kompetenzgerangel auf dem Revier. Fichtl wird ein Jugendexperte aus New York zur Seite gestellt, weil sein Assistent im Babyjahr den Schreibtisch als Wickeltisch mißbraucht. Merke: Das wird auch bei Männern mit Karriereknick geahndet.

Doch gleichzeitig erreichen die Macker durch einen Schnellkurs in aufgemotzter FBI-Taktik und die kernige Kommissarin samt Knäblein das Ziel. Es heißt Budapest. Dort werden aus einem verwahrlosten Waisenhaus von als Heimleitern getarnten Mafiosis die Gören in Taschentricks geschult und in die österreichische Metropole verschleppt. Als Drahtzieher entpuppt sich ein Großgastronom und Parteispezi des Polizeipräsidenten aus Wien.

Auch der gesuchte Armstecher wird entdeckt. Leider plumpst er wie Fallobst von einer Brücke. Seine letzten Worte: „Die Spritze war sauber.“ Wenigstens ein Toter. Inspektorin Kern droht die Fassung zu verlieren und Jule die Adoption. Fichtl hat das Happy-End schon vorrausgeahnt: „Du schaust aus wie eine frischgebackene Mutter.“ Bleibt als Fazit: Der soziologische Querschnitt eines „Tatorts“ umreißt inzwischen mühelos das Problem-Programm dutzender von „Lindenstraßen“- Folgen. Caroline Schmidt-Gross